Für immer, Dein Dad
ihm ganz bestimmt nicht ihre Telefonnummer geben würde. Über uns pulsierte in Neonschrift «Tinkerbelle».
«Worauf wartest du noch?», fragte Carla, als der Türsteher uns endlich den Weg freimachte. Nachdem ich Dads Eintrag gelesen hatte, war mir klar, dass ich endlich einmal etwas Außergewöhnliches tun musste. Bis jetzt hatte ich mich immer von meinen Bedenken bremsen lassen.
In der Ladys’ Night des Tinkerbelle galt die Regel, dass vor zweiundzwanzig Uhr keine männlichen Gäste eingelassen wurden. Das bedeutete, dass sich Frauen hemmungslos einen strippenden Mann ansehen, kreischen, Sachen (Slips) auf die Bühne werfen und sich ihren Phantasien hingeben konnten, ohne sich vor Ehemännern oder Freunden mit Minderwertigkeitskomplexen (Markus!) rechtfertigen zu müssen. Frauen sollten sich hier in Ruhe amüsieren können. Anscheinend feierte man hier gerne den Abschied vom Single-Dasein – in unserer Nähe entdeckte ich nämlich eine üppige Blondine, die sich in eine weiße Gardine gehüllt und ein «Anfänger»-Schild umgehängt hatte.
Ich musste daran denken, dass Corey seine Hochzeit abgesagt hatte und Carlas Hochzeit kurz bevorstand. Ich beschloss, dass es Zeit für einen Drink war.
«Hast du gehört?», rief Carla und zog mich in den nächsten Raum. «Die Show fängt gleich an!»
Ich besorgte uns noch schnell etwas zu trinken und hoffte,die Wirkung würde möglichst sofort einsetzen, zumal ein erster Blick auf den sogenannten Stripper preisgab, dass er ziemlich alt war, einen Bierbauch hatte und in engen Klamotten im Stil von James Bond steckte. Auf einmal erfüllte die Titelmelodie von Goldfinger den Raum, und das Publikum fing an, den in die Jahre gekommen Adonis anzufeuern.
Die Frauen drängten sich nach vorn an die Bühne, während «Jamie» Bond unbeholfen ein Kleidungsstück nach dem anderen auszog, wobei sein Fettwanst und ein pickliger Hintern zum Vorschein kamen. Ich hatte einen knackigen jungen Kerl mit Waschbrettbauch erwartet – so sah schließlich der Typ aus, mit dem sie auf ihrer Website warben.
«Hallo, ihr Süßen!», rief der Typ. Die Menge kreischte begeistert auf, als er anfing, die Hüften zur Musik kreisen zu lassen (an den Tanzkünsten von Justin Timberlake konnte er sich leider nicht messen). Als er das Publikum fragte, wer sein Bond-Girl sein wollte, stürzten sich trotzdem mindestens zehn Frauen auf die Bühne, die es anscheinend erotisch fanden, mit diesem Dickwanst Schlangentänze aufzuführen. Carla war vollkommen begeistert, während ich nur den Kopf schüttelte. Doch dann erinnerte ich mich wieder an Dads Worte und beschloss, das Beste aus diesem Abend zu machen. Ich wollte mich so richtig gehen lassen. Also nahm ich Carla an der Hand und kämpfte mich mit ihr zwischen den kreischenden, tanzenden und trinkenden Frauen bis ganz nach vorne zur Bühne durch.
Schließlich standen wir in der ersten Reihe.
Es war mir peinlich, so nah vor dem Stripper zu stehen, und ich wusste gar nicht, wohin ich schauen sollte, aber dann unterdrückte ich meine Hemmungen.
«Das war super!»
«Er war grässlich, Carla!»
«Stimmt, aber das ist gerade der Witz, denke ich!»
«Nächste Woche müssen wir wieder etwas zusammen unternehmen. Oder lieber nächsten Monat? Oder vielleicht erst in ein paar Monaten, denn wenn es so läuft, wie ich es mir vorstelle, habe ich demnächst mit K Pics alle Hände voll zu tun.»
«Siehst du, ich hab ja gewusst, dass du dich nicht plötzlich dauernd ins Nachtleben stürzen willst! Egal, ich habe mich sehr gut amüsiert. Danke, ich hatte es wirklich mal nötig.»
«Hast du Probleme mit Markus?»
«Das habe ich nicht gesagt», erwiderte sie und machte eine wegwerfende Geste. «Verdirb uns nicht den schönen Abend mit deinen Fragen.»
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, kam es mir so vor, als hämmerten fünfzig Spechte in meinem Kopf. Außerdem hatte ich einen scheußlichen Geschmack im Mund, und dazu klingelte noch irgendwer Sturm.
«Ist ja schon gut!», stöhnte ich. Auf der anderen Seite des Bettes rührte sich eine Gestalt. Ich versuchte, mir den letzten Abend ins Gedächtnis zu rufen. Die Strip-Bar. Der Stripper. Das Taxi nach Hause. Der Körper bewegte sich nicht mehr und gab nur eine Art Grunzen von sich, als ich mich auf den Weg zur Tür machte.
«Wer ist da?», fragte ich durch die Gegensprechanlage.
«Markus.»
Ich drückte auf den Türöffner.
«Wo ist sie?», fragte er ohne jede Begrüßung.
«Carla liegt in meinem
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