Für immer Dein
John erinnern würde. Doch noch während sie Robert nach oben trug, fühlte sie etwas Starkes in sich wachsen und sie war sich sicher, dass dies die Sorge um ihr Kind war. Das Einzige, was von John noch übrig bleiben würde.
Erst nach einigen Stunden, es war bereits stockdunkel, war sie aus ihrer Schockstarre erwacht und hatte neben ihrem Bett Alexia entdeckt. Nur langsam kamen die Bilder und Erinnerungen der letzten Stunden zurück. Wie sie geweint hatte, alleine aber auch in Alexias Armen, bis ihre Lider so schwer geworden waren, dass sie kaum noch ein Wort hat aussprechen können. Der Schlaf hatte ihr gut getan, doch als er nun vorbei war, war sie mit voller Wucht in die Realität zurückgekehrt.
Während sich Joselyne leise aufsetzte, trat sie das Baby heftig, als wünsche es nicht, dass Joselyne ihre Nachtruhe unterbreche. Doch ihr war es nun völlig egal ob es Tag oder Nacht war. Fakt war, sie hielt es hier nicht mehr aus. Deshalb schlüpfte sie in ihre Pantoffeln und huschte aus der Tür.
Wie erwartet war es mucksmäuschenstill und so tastete sie sich im schummrigen Licht der Kienspäne in Richtung Johns Zimmer. Sie wusste, dass er hier noch zu spüren war. Bald würden sie es räumen und dem neuen Hausherrn, Edward, einrichten. Dann wären die letzten Erinnerungen weg. Eine Nacht und die wollte sie hier verbringen.
Als sie sich dann aufs Bett setzte, dessen weiße Laken so frisch und jungfräulich wirkten, als gäbe es nichts Schlechtes auf der Welt, vernahm sie seinen Duft. Der typische Duft nach Moschus hing noch immer im Raum und verleitete sie dazu, sich aufs Bett fallen zu lassen. Natürlich kam die ganze Härte auf sie zurück. Doch erst genoss sie diesen Moment der Verbundenheit.
Tief in ihrem Inneren wusste sie, dass sie seinen Tod akzeptieren und verstehen musste. Sie musste für ihr gemeinsames Kind stark sein und nicht zur selben verbitterten Frau wie Anne heranwachsen. Sie würde versuchen dem Kind ein Leben zu ermöglichen, in dem es ihm an nichts fehlte. Joselynes Leben war gezeichnet von Verlust, doch hier, heute Nacht, sollte es aufhören.
Irgendwann war sie dann doch eingeschlafen. Am nächsten Morgen weckte sie das Licht, dass durch die ungeschützten Fenster eintrat und auf sie schien. Wohl wissend in welchem Zimmer sie sich aufhielt, traf sie der Schreck. Sie wollte auf gar keinen Fall hier entdeckt werden. Auch wenn sie am liebsten noch stundenlang hier gelegen hätte, um John zu fühlen, sprang sie fast aus dem Bett. Nur um im nächsten Moment innezuhalten, da sie eine Bewegung aus den Augenwinkeln vernommen hatte.
Der Richtung der Bewegung her folgend, entdeckte sie Anne, die auf einem breiten Ohrensessel nahe des Kamines saß und verschlafen gähnte. Doch auch wenn Joselyne bereit war sich für die ihr bevorstehende Rüge zu wappnen, lag etwas völlig anderes in Annes Augen. Etwas Sanftes und Liebevolles. Vielleicht bewog diese Vertrautheit Joselyne dazu, stehenzubleiben und ihr Verhalten nicht weiter rechtfertigen zu wollen.
„Wir scheinen beide denselben Gedanken gehabt zu haben“, sagte Anne mit Tränen in den Augen.
Joselyne griff schutzsuchend nach der dünnen Überdecke und wickelte sie halbherzig um ihre Hüften. Doch Anne bemerkte es nicht, da sie sich erhoben hatte und auf das erstbeste Fenster zuging.
„Dieses Zimmer hat schon immer John gehört“, sinnierte sie vor sich hin. „Findest du nicht auch, dass man ihn noch spüren kann?“
Keine Spur des Hasses und der Verachtung lag in Annes Stimme. Doch konnte es tatsächlich so einfach sein? Nur weil John tot war, war plötzlich alles wieder in Ordnung?
„Ja, das finde ich auch“, antwortete sie knapp.
Anne drehte sich blitzartig zu ihr um, strich ihr Kleid glatt und kam dann den Weg wieder zurück. Joselyne betete, dass sie nun gehen würde. Doch dem war nicht so. Im Gegenteil, Anne schlug den Weg in ihre Richtung ein.
„Du bist schwanger, nicht wahr?“ fragte sie dann unverblümt.
Joselyne nickte. „Ja, das bin ich.“
„Als Johns Bruder starb, wusste ich, dass ich nichts von ihm behalten konnte. Natürlich hatte ich die Erinnerungen und die Bilder, aber nichts mehr von ihm selbst.“ Anne stand vor ihr, den Kopf schief gelegt, die Hände leicht gefaltet. Eine Mutter, die den Verlust zweier Söhne zu betrauern hatte. Eine Frau, die zum ersten Mal spürbar ein Herz besaß.
„Mit jedem Tag der vergeht, fällt es mir schwerer, mich an ihn zu erinnern. An seine Stimme, sein Gesicht – alles fängt an zu
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