Für immer, Deine Celia: Roman (German Edition)
denn?«
»Anlässlich von Hochzeits- und Verlobungstagen?«, vermutete sie, wenig überzeugt. Natürlich nicht, beantwortete sie für sich die rein rhetorische Frage. Schließlich wären sie hier unmittelbar mit ihren Lügen konfrontiert gewesen.
Ihr Handy klingelte. Sie warf stirnrunzelnd einen Blick auf die Nummer auf dem Display. »Theo. Er ruft heute Morgen schon zum vierten oder fünften Mal an.«
»Gehst du nicht dran?«
»Wozu? Warte! Er hat auf die Mailbox gesprochen … »Muss dir was Wichtiges sagen, Bud. Bitte heb ab!«
»Also, warum tust du’s nicht?«
»Ganz einfach, Guy«, sagte Bud, als gehe es ums Prinzip, »du kennst Theo. Er will nur mit irgendeinem Prüfungsergebnis prahlen.«
Sie kamen an einem großen, schmiedeeisernen Tor vorbei, dahinter lag eine Buchenallee, ein imposantes Anwesen in der Ferne und ein Schild mit der Aufschrift: Seniorenstift Island View. Sie wechselten einen Blick. Das musste das Haus sein, indem die Großmutter Bet und Priscilla kennengelernt hatte. Far Point war demnach nicht mehr weit.
Sie fuhren ungeduldig die Küstenstraße entlang, warteten, dass sich die Massen der Ausflügler zerstreuten, freuten sich auf den ersten Blick auf das große, weiße Haus zwischen den Kiefern, das die Großmutter so häufig beschrieben hatte.
Jeden Moment musste die Straße eine Biegung machen und sich weg vom Meer eine Anhöhe hinaufwinden. Als das letzte Anwesen zur ihrer Linken hätte Far Point eigentlich schon zu sehen sein müssen. Doch hinter einem rostigen Stacheldrahtzaun tauchte lediglich eine Wildnis aus Gestrüpp und Unterholz auf, eingefasst von einer struppigen Rhododendronhecke. Darüber wölbte sich nur der stahlblaue Himmel.
»Wir sind falsch gefahren«, sagte Bud. »Muss am anderen Ende der Küste liegen.«
»Nein. Wir sind hier richtig.«
Sie stellten den Wagen auf einem überwachten Parkplatz ab und stiegen aus. Schweigend und erwartungsvoll liefen sie die Anhöhe hinauf. Sie erinnerten sich an die Geschichten der Großmutter über den Bus, mit dem sie vom Bahnhof Southampton zum Strand gefahren war, an den kurzen Spaziergang zum Haus. »Gut hundert Meter weiter links war ein großes Holztor, das über die Kiesauffahrt schleifte, aber Mr Peters, der Obergärtner, hatte nie die Zeit, es zu reparieren. Dieses Quietschen war eines der typischen Geräusche von Far Point – wie der Wind in den Kiefern und das Rauschen der Brandung.«
Der Weg war nur oberflächlich geteert. Statt eines Holztors jedoch tauchte vor ihnen eine rostige Eisenschranke mit Stacheldraht und ein abgeblättertes Schild mit der Aufschrift »Betreten verboten – freilaufende Hunde« auf. Direkt daneben, so als wollte es die Drohung auf dem Schild Lügen strafen, war ein großes Loch in der Hecke, wo sich Abfall im Geäst verfangen hatte, so als würden hier ständig Leute aus und ein gehen.
Als sie durch die Öffnung in der Hecke gekrochen waren, verstanden sie weshalb. Ein riesiger Müllplatz, gesäumt von Brennnesseln und Brombeergestrüpp, nahm das dahinter liegende Grundstück ein. Und doch hatte sich nach den Erzählungen ihrer Großmutter direkt hinter dem Tor ein großer Innenhof, beherrscht von einer ausladenden Linde, aufgetan. Aber zu ihrer noch größeren Enttäuschung war von einem Haus keine Spur zu sehen. Dann erkannten sie zwischen all dem Müll Ziegelsteine, zersplitterte Balken, Schieferplatten und sogar Marmorbruch, so als habe jemand mit einem großen Schmiedehammer das Gebäude zertrümmert. Schließlich entdeckten sie alte Kühlschränke und Fernsehapparate und sogar einen Computer – ganz zu schweigen von ekelhaften Dingen wie benutztem Toilettenpapier und Kondomen. Über alledem summte die Luft von Schmeißfliegen, während weiter unten, fast übertönt vom Lärm der Menschen, die See rhythmisch an den Kiesstrand brandete, so wie sie es auch schon mehr als siebzig Jahre zuvor getan hatte.
»Warum sind wir nur hergekommen?«, murmelte Bud, den Tränen nahe.
»Ich hätte es googlen sollen«, antwortete Guy mit hilflosem Schulterzucken. Luftaufnahmen hätten sie vor der zerstörten Idylle gewarnt und auch Orientierungshilfen gegeben, die Fundamente des einst imposanten Hauses aufgezeigt, wie vielleicht auch die morschen Stümpfe der umgefallenen Kiefern. Sie wussten, dass die Rückseite nach Süden geführt hatte, doch vor Entsetzen waren sie unfähig, diese Richtung ausfindig zu machen, denn das wunderschöne Haus und sein Garten waren so gründlich von der
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