Für immer, Deine Celia: Roman (German Edition)
hatte. Frederick war weniger egozentrisch aufgetreten, während Celia zu sich selbst gefunden zu haben schien. Natürlich hatte sie ihre Kinder zurückgeholt, was Bet befürchtet hatte. Aber Celia hatte dafür gesorgt, dass die einmal geknüpften Bande nicht abrissen, und ihre Kinder als die empfindsame und selbstlose Freundin, die sie immer gewesen war, mit Bet geteilt.
Priscilla nickte weise. »Untreue muss nicht immer was Schlechtes sein.«
Bet war anderer Meinung, widerstand jedoch der Versuchung, ein Streitgespräch anzuzetteln, um Priscilla nicht abzulenken.
»Das letzte Mal, als ich bei den beiden zu Besuch war, hat er sie keinen Moment aus den Augen gelassen …«
»Hm.« Bet hatte den gleichen Eindruck gehabt.
»War an dem Tag, bevor es passiert ist. Du erinnerst dich? Als ich später davon erfahren habe, konnte ich’s kaum fassen. Er hat so fit ausgesehen. Attraktiv und faszinierend wie immer. ›Männer haben das Glück gepachtet‹, habe ich damals noch gedacht. Und er konnte kaum die Hände von ihr lassen. Meine Güte, ich wusste gar nicht, wo ich hinschauen sollte. Er hat ihr doch tatsächlich ins Hinterteil gekniffen! Und sie war wie ein junges Mädchen. Jammerschade …«
Eine Sekunde lang ließ Bet die Sonntage mit den Bayleys und all die glücklichen Erinnerungen Revue passieren. Die Toten wurden wieder lebendig. Sonnenlicht schimmerte durch die sich im Wind bewegenden Blätter der Blutbuche auf eine weiße Tischdecke, und das Lachen schien nie zu enden. Aber dann war ein langer, dunkler Schatten auf die Familie gefallen. Mit nur vierundfünfzig Jahren hatte Frederick einen schweren Gehirnschlag erlitten. Danach hatte er erstaunlicherweise noch zweiundzwanzig Jahre gelebt (durch pure Willenskraft, wie alle behaupteten, weil er es nicht ertragen konnte, sie allein zu lassen), bis er 1990 kurz nach Margarets Hochzeit gestorben war.
»Ich hab mich schrecklich gefühlt«, gestand Priscilla. »Ich meine, ich dachte, wenn ich über Nacht geblieben wäre, wär’s vielleicht nicht passiert.«
»Also das glaube ich nicht«, murmelte Bet und versuchte, ein Lächeln zu unterdrücken, als sie sich vorstellte, wie der Blutpfropf auf seinem Weg in Fredericks Gehirn durch Priscillas Geplapper zu Eis gefroren sein sollte.
»Ich wollte eigentlich bleiben, musst du wissen. Aber ich hatte das Gefühl, dass er es kaum erwarten konnte, mit ihr allein zu sein.« Priscilla warf Bet einen Blick zu. »Komische Sache, das mit dem Sex«, fuhr sie fort. Zwei ältere Herren am Nachbartisch verstummten und starrten wie gebannt in ihre Ausstellungskataloge. Um noch eins draufzusetzen, verzog Priscilla ihre auffällig geschminkten Lippen zu einem strahlenden Lächeln und verkündete: »Ich hatte erst mit neunundvierzig Jahren meinen ersten anständigen Orgasmus!«
Sie sprach »Oh-gähsm« mit dem antiquierten Akzent der britischen Oberklasse aus, und Bet hoffte (ohne große Zuversicht), dass die alten Herren sie nicht verstanden hatten. Sie warf ostentativ einen Blick auf die Uhr. Es war fünf Minuten vor fünf Uhr. Wenn sie sich jetzt auf den Heimweg machte, kam sie vor der Rushhour nach Hause und konnte ihre Katze füttern.
» Dachte ich jedenfalls«, plauderte Priscilla munter weiter und schien nicht zu merken, dass Bet bereits die Handtasche auf dem Schoß hatte und nach ihrem Rentnerausweis kramte. »Und als mir der ›echte‹ passiert ist, war’s, als hätte mich ein Schnellzug überrollt.« Sie lachte gackernd. »Bester Sex meines Lebens. Nur hat er nichts getaugt.«
Bet hatte die Litanei erotischer Erinnerungen längst vergessen, die sie erfunden hatte, um Priscilla zu quälen. Sie dachte nur: Ekelhaft, wenn sich alte Weiber mit ihren Liebhabern von einst brüsten. Verärgert fragte sie: »Was hat das denn mit all dem anderen zu tun?«
Priscillas Augen glitzerten boshaft. »Was glaubst du?«
»Na, rück schon raus damit«, forderte Bet ungehalten, denn mittlerweile lauschten die alten Herren ganz schamlos.
»An dem Tag, als ich zum Mittagessen dort war, sah Celia aus, als hätte sie eine ähnliche Erweckung erlebt«, erklärte Priscilla.
Bets Neugier war unwillkürlich geweckt. Das Glück ihrer Ehe war von einem tiefen Sicherheitsgefühl geprägt. Sie bezweifelte, dass es ihr gefallen hätte, wenn ihr stets zärtlicher und befriedigender Sex eine erstaunliche, erotische Wende genommen hätte. Es hätte nicht zu Jack gepasst und sie beunruhigt. Wenn Priscilla recht hatte, dann gab es noch mehr Gründe,
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