Für immer, Deine Celia: Roman (German Edition)
Bildfläche verschwunden, als hätten sie nie existiert.
»Gehen wir lieber«, schlug Guy vor und klapperte mit den Wagenschlüsseln.
Bud hatte anderes im Sinn. Süden musste dort sein, woher das Geschrei der Touristen gedämpft vom Strand heraufdrang. Sie fanden zwei Äste und bahnten sich damit einen Weg durch das Brombeergestrüpp, bis sie zu einer freien Fläche kamen, von der aus sie einen Blick auf die schimmernde See und die Insel am Horizont hatten. Bud begann, in ihrer Handtasche zu kramen. »Schau nur geradeaus«, riet sie Guy, »versuche, das Chaos hinter uns einfach zu vergessen.« Sie förderte eine Ausgabe des Romans »Under the Moon« zutage, der eine Beschreibung von Far Point enthielt und den sie für einen interessanten Vergleich mitgebracht hatte. Dabei hatte sie sich allerdings nicht träumen lassen, wie kostbar dieser Fund war. Sie schlug das Buch an der markierten Stelle auf und begann laut vorzulesen.
Die Großmutter beschrieb darin aus dem Blickwinkel eines Kindes, wie sie zum ersten Mal hierhergekommen war: das über Kies schleifende Holztor; das angenehme Knirschen der Kiesdecke unter den Füßen; der Blick in die ausladende, grüne Krone einer riesigen Linde, die den ganzen Vorhof beschattete; eine Tür in der Mauer, durch die man in einen Rosengarten und von dort auf einen Weg gelangte, der um das Haus herumführte; die Entdeckung der weißen Fassade, so blendend weiß in der Sonne, dass die Augen schmerzten; die grünen Läden und eine schmiedeeiserne Veranda, die sich an das Haus schmiegte. Darunter erstreckte sich eine abschüssige Rasenfläche, die vor einer blühenden Rhododendronhecke endete, hinter der das Meer sanft an den Strand brandete. Bud hätten schwören können, den melancholischen Ton der Signalglocke einer Leuchtboje zu hören, so exakt und schön war es beschrieben. Und dann führte die Großmutter sie ins Haus.
Als Bud geendet hatte, sagte Guy: »Ich frage mich, ob das alles wirklich so großartig gewesen ist. Das Haus wird in keinem der architektonischen Führer erwähnt.«
»Was macht das schon?« Für Bud war es eine Offenbarung. Sie stand an diesem zerstörten Ort, hörte die wundervolle Beschreibung und begriff plötzlich den Sinn von Literatur. Ein Mythos, den allein der Leser entdecken konnte. Für Schriftsteller war es eine Methode, zerbrochene Träume zu kitten. Sie schufen sich eine eigene Welt, die ihnen jene ersetzte, aus der sie sich ausgeschlossen fühlten.
Guy blinzelte, als sie versuchte, ihm dies zu erklären. Dann zuckte er die Schultern, wackelte mit dem Kopf, als versuche er, dies alles zu begreifen. Bud wusste, es würde nichts nützen. Diesmal konnte sie kein Verständnis von ihrem Cousin erwarten.
Ihr Handy klingelte erneut. Aus purem Frust ging sie dran. Sobald Theo zu sprechen begann – seine angespannte, ängstliche Stimme ertönte abgehackt durch den Äther –, war sie hellwach.
»Was ist?«, fragte Guy, dem ihre gespannte Aufmerksamkeit nicht entgangen war.
»Natürlich hattest du recht, mich anzurufen«, sagte sie sanft und freundlich zu Theo. »Kann verstehen, dass du aufgebracht bist.« Dann legte sie die Hand über das Handy und zischte: »Jetzt ist sein Vater abgehauen. Er hat Margaret verlassen.«
24
Was für ein Glück! Niemand kann mir je das
Schreiben verbieten. Wie sollte ich das Leben ertragen,
ohne in dieses seltsame Land zu entfliehen, wo alle
Träume wahr und Enttäuschungen von der Seele
geschrieben werden können?
NOTIZBUCHEINTRAG OHNE DATUM.
An jenem Sonntag Anfang Juni des Jahres 1968 brachte Frederick Celia Tee ans Bett, ein Ritual, das er sich seit seiner Pensionierung angewöhnt hatte. Als sie ihm schließlich im Esszimmer eine Stunde später das Frühstück zubereitete, hatte er bereits den Garten inspiziert, jede Pflanze und jeden Strauch begutachtet und so lange auf das Barometer geklopft, bis die Nadel auf »schön« zeigte, auch wenn der wolkenlos strahlend blaue Himmel und die absolute Windstille nichts anderes als einen herrlichen Frühsommertag verhießen. Durch die geöffnete Glastür drang das Zirpen der Insekten im Lavendel, das beruhigende Gurren der Tauben und das heisere Muhen einer jungen Kuh auf einer entlegenen Weide.
»Was haben wir doch für ein Glück!«, murmelte sie und dachte daran, dass sie es nie wieder als selbstverständlich ansehen würde, in einem Land zu leben, wo Hitze etwas Willkommenes und die Landschaft, so weit das Auge reichte, frisch und grün war. Und so als sei dieser
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