Für immer, Deine Celia: Roman (German Edition)
Gästen des Cafés Jubel auf.
Alexejs Vater war ein hoher Geheimdienstoffizier gewesen. Als Kind habe es ihm an nichts gefehlt, erzählte er. Die Familie hatte in einem hübschen Haus in einer guten Gegend gelebt und regelmäßig am Schwarzen Meer Ferien gemacht. Niemand hatte zu verhindern versucht, dass er Schriftsteller wurde, denn unter dem kommunistischen Regime war es ein Beruf wie jeder andere. Davon abgesehen gab es erhebliche staatliche Vergünstigungen, vorausgesetzt, man war produktiv und schrieb systemkonform. Er hatte eine schöne Wohnung, ein Auto westlichen Fabrikats besessen, Designeranzüge getragen und gut gelebt. Dann, von einem Tag auf den anderen, erlitt er eine Schreibhemmung. Er saß tage-, wochenlang vor einem weißen Blatt, unfähig, auch nur einen Buchstaben auf das Papier zu bringen. Erst nachdem er seinen Mitgliedsausweis der Partei vernichtet hatte, fand er seine Sprache als Schriftsteller wieder. Allerdings begab er sich damit auf politisch gefährliches Terrain. Er schrieb Fabeln, in denen er verschlüsselt die Menschenfeindlichkeit und Brutalität des Systems anprangerte.
Den Parteiaustritt hatte er nie bereut, obwohl die Strafe nicht lange auf sich warten ließ. Seine Bücher wurden verbrannt, und er konnte nur noch als schlecht bezahlter Arbeiter in einer Schuhfabrik seinen Lebensunterhalt verdienen. Seine ganze Familie war für sein Verhalten in Sippenhaft genommen worden, erklärte er unglücklich. Celia konnte nur ahnen, was das bedeutete. Und obwohl er seit Jahren nichts mehr veröffentlichen durfte, hatte er viele Bücher im Kopf (er tippte sich dabei an die Stirn). In dieser Zeit schöpfte er Hoffnung, dass bald der Tag kommen würde, an dem er sich wieder öffentlich artikulieren konnte. Das Leben war lange nicht mehr so aufregend gewesen.
Er lächelte sie strahlend an. »Was ist besser? Wie ein König zu leben, aber zusehen zu müssen, wie man sich in einen Menschen verwandelt, für den man sich schämt? Oder wie ein Bettler auszusehen« – er deutete geringschätzig auf seine schäbige Kleidung – »aber hier zu wissen, dass man ein freier Mensch ist?« Er pochte sich gegen die Schläfe.
Diese Art von Offenheit kannte Celia nicht. Sie hatte fast ein Vierteljahrhundert mit einem Mann gelebt, der all seine Emotionen und Gedanken für sich behielt. Und nicht genug: Er hatte diese Verschlossenheit und emotionale Strenge auch auf seine Kinder übertragen. Selbst ihre engste Freundin Bet, die aus einem völlig anderen Elternhaus kam, hatte ihren großen Kummer, kinderlos geblieben zu sein, niemals offen ausgesprochen. Ich konnte esimmer nur vermuten, schloss Celia ihre Beichte. War es ihr Geständnis gewesen, fragte sie Alexej, das diese ungewöhnliche Ehrlichkeit provoziert hatte? Nein, erwiderte er. Der Wandel, die Zeiten, in denen sie lebten, seien schuld. Nach langem Warten sei endlich eine Wende eingetreten. »Spürst du es nicht? Es liegt in der Luft.« Hätte diese neue Stimmung nicht die Stadt erfasst, wäre er vielleicht an der Theke sitzen geblieben, mit den eigenen Problemen beschäftigt, und hätte die Frau mit dem blutenden Knie vermutlich kaum wahrgenommen.
»Hätte gut so sein können«, sagte er nachdenklich. Die Hoffnung auf den Wandel allerdings hatte alles verändert.
»Was ist so lustig?«, fragte Sandy.
»Nichts«, wehrte Celia ab.
»Du hast gelächelt.«
»Wirklich?«
»Du siehst schrecklich aus«, sagte Jane. »Warum ziehst du dich nicht um? Dann können wir besprechen, was wir mit dem Abend anfangen wollen.«
»Was davon noch übrig ist«, erinnerte Sandy missmutig. Dabei war es erst kurz nach fünf. Sie hatten noch viel Zeit, sich ein Restaurant zu suchen und zu Abend zu essen, wo immer sie wollten. Im nächsten Moment jedoch hatte Sandy ihren Ärger vergessen. Sie lachte. Die Lektion war erteilt. Es war Zeit, wieder Spaß zu haben.
Aber Celias Gedanken kreisten längst erneut um Alexej.
»Du träumst ja schon wieder«, bemerkte Sandy später im Restaurant bei gefüllten Tomaten und Brathühnchen.
Celia versuchte, sich auf das Gespräch zu konzentrieren. »Du klingst fast schon wie meine Familie.«
»Also heute Abend scheinst du wirklich nur zu träumen«, pflichtete Mary Sandy bei.
»Sind wir nicht alle Träumerinnen?«, entgegnete Celia. »Müssen wir doch auch sein.« Und wie Celia gehofft hatte, waren die anderen abgelenkt. Sie begannen eine lebhafte Diskussion über Phantasie und Kreativität, sodass Celia in Ruhe über die Stunden
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