Für immer, Deine Celia: Roman (German Edition)
Glück ist der Boss ein Freund. Er war früher Philosophieprofessor.«
Sie unterhielten sich über eine Stunde so intensiv wie schon beim ersten Mal. Diesmal allerdings stellte er die meisten Fragen, und sie ertappte sich dabei, wie sie ihm von Naomi, der Phantasie-Freundin, erzählte, die ihr als Kind Gesellschaft geleistet hatte; von dem Schmerz, mit siebzehn Jahren von der geliebten Mutter getrennt zu werden; von jenem furchtbaren Tag, als sie zum ersten Mal von Katharine erfahren hatte; von der hilflosen Eifersucht, die sie veranlasst hatte, ihr erstes Buch zu schreiben. Dann bemerkte sie die verstohlenen, spöttischen und amüsierten Blicke der anderen Gäste. Celia wurde unruhig. Offenbar war registriert worden, dass dieses Treffen kein Zufall mehr war.
»Können wir irgendwo anders hingehen, Alexej? Ich möchte weg von hier.«
Er wohnte im obersten Stockwerk in einem der Plattenbauten, die Sandy, Mary, Jane und sie auf der Fahrt vom Flughafen in die Stadt gesehen hatten. Aus der Nähe betrachtet sahen die Wohnblöcke sogar noch deprimierender aus, auch wenn das sumpfige Gelände im Umkreis offenbar sauber gehalten wurde. Der Aufzug funktionierte nicht. Sie stiegen die zahllosen Stufen hinauf, hielten auf den Treppenabsätzen an, um zu Atem zu kommen. »So halte ich mich fit«, scherzte Alexej.
Als er seine Wohnungstür aufsperrte, streifte er ihre Schulter, und sie wurde sich seiner Gegenwart sehr bewusst: seine schmalen Hände, das dichte Haar, das ihm verwegen in die Stirn fiel, seine nackten, muskulösen Arme. Sie zitterte innerlich, versuchte jedoch, die Beherrschung zu wahren, wie sie es sich bei vielen offiziellen Anlässen in Afrika antrainiert hatte. »Ich dachte, dass du vielleicht ebenfalls verheiratet bist«, bemerkte sie gelassen, als habe sie erwartet, seiner Frau vorgestellt zu werden.
»War ich. Ist aber lange her.« Seine Stimme klang sanft und beruhigend. Er schien ihre Unsicherheit zu spüren.
Alexej, der einst ein wohlhabender Mann gewesen war, führte sie in dem hellhörigen, einer Bienenwabe gleichenden Haus über die Schwelle.
Sie hatte eine spartanisch eingerichtete, einer Mönchszelle gleichende Wohnung erwartet. Kaum hatten sie die winzige Diele hinter sich gelassen und das Wohnzimmer betreten, waren es die Unmengen an Büchern, die ihr sofort auffielen. Diese standen dicht gedrängt in billigen, die Wände zum Teil bedeckenden Regalen, deren Bretter sich unter ihrem Gewicht bogen. Andere lagen in Stapeln auf dem Fußboden. Dann fiel ihr Blick auf einen wunderschönen, abgetretenen Orientteppich und eine Bettcouch mit bestickten Kissen in Rot und Goldgelb, in denen sich die Farben des Teppichs widerholten. An den freien, weiß getünchten Wänden hingen alte Stiche. Dazwischen ein einziges Ölgemälde, so düster, dass das Motiv kaum noch erkennbar war. Ein mit einem dunkelgrünen, abblätternden Wachstuch bedeckter Tisch mit zwei Stühlen war zusammen mit dem Diwan das einzige Mobiliar. Auf dem Tisch stand eine blaue Vase mit einem halben Dutzend frischer, roter Rosen.
Erst dann bemerkte sie die Aussicht. Ein einziges Fenster zeigte auf einen winzigen, korbähnlichen Balkon und bot den unverstellten Blick auf die Straße zum Flughafen, deren Asphaltdecke in der Hitze flimmerte. In der Ferne startete ein Flugzeug in den blauen Himmel. Celia verstand plötzlich, wie schmerzlich der Anblick für Alexej sein musste. Er war nicht nur in dieser Welt gefangen, sondern musste täglich mitansehen, wie andere in die Freiheit flogen. Hatte sich jemand diese Strafe bewusst für ihn ausgedacht? Alles sei im Wandel, in Bewegung, hatte er im Café gesagt. Das alte, autoritäre System sei im Begriff, unterzugehen.
Sie wandte sich vom Fenster ab. Alexej musterte sie mit einem melancholischen Lächeln. »So also lebe ich«, sagte er.
Ihr Blick fiel auf das Foto eines kleinen Mädchens, das in einem billigen Rahmen auf einem Bücherregal stand.
»Meine Tochter Ada«, erklärte er hastig. »Habe ich dir schon von meinem ›Augenstern‹ erzählt? Das Foto ist nicht mehr aktuell. Mittlerweile ist sie fünfzehn Jahre alt. Eine junge Madame. Die Zeit vergeht.«
»Wie meine Margaret!« Celia bezweifelte, dass er mit dem Ausdruck »Madame« das meinte, was sie mit Margaret verband. Seine Tochter sah wohlerzogen und gar nicht kapriziös aus. Sie war dunkelhaarig und sehr hübsch – allerdings nicht so hübsch wie Margaret.
»Lebt sie bei ihrer Mutter?«
Er nickte. »Das ist besser so. Aber ich
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