Für immer, Deine Celia: Roman (German Edition)
Phantasie anzuregen, meinte sie. Und es sei absurd, zu glauben, eine so fragile und kostbare Sache wie Familienglück könne man zusammen mit einem Haus kaufen. Sie habe inzwischen begriffen, dass man es pflegen musste, wollte man es nicht unwiederbringlich verlieren.
Beim Kaffee, den die Schwestern gekocht hatten, verteilte Robert in seiner autoritären, militärischen Art die Aufgaben, wobei er Bud überging. Er und Guy würden das Feuer vorbereiten, während die Schwestern das Haus leer räumen und mit dem Dachboden beginnen sollten. Natürlich war ihm klar, dass die Schwestern damit den unangenehmeren Part erwischt hatten, doch bei dem Gedanken, auch nur in die Nähe dieser Papiere mit all ihren düsteren Geheimnissen zu kommen, bekam Robert Gänsehaut. Er mühte sich sehr, die Erinnerung an die Mutter so zu bewahren, wie er sie gekannt hatte: Als zärtliche und pflichtbewusste Frau, deren Interesse an Sex in seiner Vorstellung zu vernachlässigen war.
Bud allerdings zögerte nicht lange und ging zum Angriff über: »Ich glaube nicht, dass du dir das reiflich überlegt hast.«
»Wie kommst du denn darauf?«, entgegnete Robert grimmig.
»Wenn du alles verbrennst, erfährst du die Wahrheit über Gran nie!«
Er rollte die Augen und wirkte genervt.
»Lass es, Bud«, sagte Guy mit einem warnenden Blick.
»Liebling, bitte«, mischte sich sogar Sarah ein.
»Aber diese Papiere zeigen uns, wer Gran gewesen ist. Es ist ihr Leben!« Bud wurde immer lauter und schrie sie jetzt an: »Das ist, als würdet ihr sie verbrennen!«
»Bitte sei nicht so melodramatisch!«, sagte Margaret gereizt. »Es ist doch nur Papier!«
»Ist es nicht! Was ihr vorhabt, ist Vandalismus!« Sie brach in Tränen aus, und Robert hielt sich wie ein Kind die Ohren zu. »Das ist wie eine mittelalterliche Hinrichtung. Das ist, als zerrt ihr sie aus dem Haus und verbrennt sie auf dem Scheiterhaufen. Und nur, weil ihr sie für immer mundtot machen wollt.«
»Liebes«, begann Sarah erneut ernstlich besorgt, »Gran hat doch all die Bücher geschrieben.«
»Und als Nächstes schlagt ihr vor, die auch noch zu verbrennen!« Das war die gemeinste Beleidigung, die Bud einfiel. »Ihr habt sie doch nicht mal gelesen, oder?«
Die beiden Schwestern kletterten die Dachbodenleiter hinauf.
»Sie meint das nicht so«, murmelte Sarah. Das war alles an Kritik an ihrer Tochter, die sie sich gestattete.
» Ich habe eines von Mummys Büchern sehr wohl gelesen, und ich kann es nicht empfehlen«, verteidigte sich Margaret ebenso leise.
Im Gegensatz zu Sarah war Margaret zum ersten Mal seit ihrer Kindheit auf dem düsteren, staubigen Dachboden. Sie konnte kaum fassen, welche Papiermassen sich inzwischen dort angesammelt hatten – überquellende Schrankkoffer und Kartons füllten jeden Zentimeter aus. Allein der Anblick lenkte sie von ihrem eigenen Kummer ab. Wann hatte ihre Mutter nur die Zeit gefunden, all das zu schreiben? Margarets Erinnerung nach hatte sie Celia nur ein einziges Mal bei der Arbeit überrascht.
Sie war damals elf oder zwölf Jahre alt gewesen. Die Eltern waren erst vor Kurzem aus Afrika zurückgekehrt. Sie war um drei Uhr nachts aus einem Albtraum aufgewacht und die Treppe in die Küche hinuntergegangen. Dort hatte die Mutter am Holztisch unter einer Lampe gesessen und eifrig in ein dickes Notizbuch geschrieben. Sie schien alles um sich herum vergessen zu haben und wirkte so einsam und verloren, dass Margaret unwillkürlich einen Schrei ausgestoßen hatte. Daraufhin hatte die Mutter augenblicklich ihr Notizbuch zugeklappt, Margaret zärtlich und liebevoll in die Arme genommen und sich sogar zu ihr ins Bett gelegt, bis sie eingeschlafen war.
Jetzt erkannte Margaret, dass es ihr vermutlich zur Gewohnheit geworden war, nachts zu schreiben. Und wahrscheinlich hatte sie sich den ganzen Tag über auf diese gestohlene Zeit gefreut.
»Ist nur Müll«, hatte Robert im Auto behauptet. Aber das stimmte nicht. Jedes Einzelne dieser Millionen Wörter stand für einen Sieg. Normale Liebe verblasste gegen diese Hingabe, urteilte Margaret und empfand den Gedanken als seltsam tröstlich.
Auf der Wiese unterhalb des Hauses begann Robert auf dem schwarz verbrannten Gras Anmachholz aufzuschichten, wo sie sieben Monate zuvor das Feuer am Abend nach Celias Beerdigung angezündet hatten. »Kein Grund, noch ein anderes Rasenstück zu schädigen«, hatte er Guy erklärt. Er wusste, es klang taktlos und unsensibel, aber die Szene mit Bud hatte ihn mitgenommen.
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