Für immer, Deine Celia: Roman (German Edition)
Seither war er sogar noch entschlossener, die Sache durchzufechten. In seiner Familie schrie man sich nicht an, und er hatte seine Mutter abgöttisch geliebt. Er versuchte lediglich, ihr Andenken zu schützen, sagte er sich: die Welt davon abzuhalten, ihr Leben öffentlich zu zerpflücken, ohne die geringste Vorstellung davon zu haben, wie sie wirklich gewesen war. Im Geiste sah er sie vor sich, wie sie mit ihrem alten Strohhut im hohen Gras saß und träumerisch ihre Wildblumen und die Schmetterlinge betrachtete. Sie wäre über all diese Publicity entsetzt gewesen.
»Ist traurig, sich von denen verabschieden zu müssen«, sagte er mit rauer Stimme zu seinem Sohn und deutete auf die beiden riesigen Eschen am unteren Rand der Wiese. Seine Eltern hatten sie 1947 gepflanzt, in dem Jahr, als sie nach Parr’s gezogen waren. Zwanzig Jahre später war die größte zu der Zeit umgestürzt, als sein Vater den Gehirnschlag erlitt (obwohl er, im Gegensatz zu seiner Mutter, keine symbolische Bedeutung darin sehen konnte, da es die Folge eines schweren Sturms gewesen war, dem der alte Baum mit seinen brüchigen Wurzeln nicht mehr standgehalten hatte).
Die Esche hatte wochenlang im Gras gelegen, während der Vater oben im Haus gestöhnt und um sich geschlagen hatte, als wolle er sich unbedingt von seinem Bett erheben. Als der Stamm zu Brennholz verarbeitet war, war es bereits Winter und die Familie hatte sich mit der Situation abgefunden. Der vitale, herrische Mann würde nie wieder gehen oder sprechen können und das Jahresende wohl kaum überleben. »Wir müssen dafür sorgen, dass es für ihn das beste Jahr wird«, hatte Celia ihnen unter Tränen erklärt. Doch er hatte noch über zwanzig Jahre durchgehalten und sie mit seinem stechenden, kummervollen Blick verfolgt, als könne er es nicht ertragen, sie allein zu lassen.
Robert hatte seine Großmutter mütterlicherseits nie gekannt. Einige Wochen vor seiner Geburt war die Schwiegermutter, die Frederick offenbar als sehr peinlich empfunden hatte, gestorben, und die Wahrheit über die Vergangenheit konnte mit ihr begraben werden. Robert hatte die Fotos aus der Zeit davor gesehen – in den alten Alben –, Fotos von einem baufälligen Haus und einem kahlen, von Unkraut überwucherten Garten. Angesichts dessen, was Robert mittlerweile erfahren hatte, nahm er an, dass die elegante, ungemütliche Einrichtung, die seine Mutter für Parr’s gewählt hatte, mehr als nur eine flüchtige Ähnlichkeit mit Far Point hatte. Am Ende hatte sich die Tochter der Haushälterin sogar selbst in eine Frau verwandelt, auf die ein adeliger, ehrgeiziger Armeeoffizier stolz sein konnte.
Mittlerweile hatte Parr’s eine Renovierung dringend nötig, wie der Immobilienmakler nach der Besichtigung von nur zwei Badezimmern mit charmanten, eisernen Badewannen mit Füßen wie Löwentatzen, jedoch ohne Dusche, ausgedrückt hatte. Auch die Küche mit der hübschen Anrichte, aber mit einem bunten Allerlei von Schränken und nur einem einzigen Spülbecken, entsprach keineswegs modernen Anforderungen. Eines allerdings konnte nicht behoben werden. Während Robert auf der Wiese stand, wo er als Kind gespielt hatte, hörte er den Verkehrslärm, der über die Jahre stark zugenommen hatte. Es war fast wie ständiges Meeresrauschen. Er sah seinen Sohn Guy an und beschloss, diese Tatsache vorerst nicht zu erwähnen. Was für ein guter Junge er doch ist, dachte er. Es war Zeit, dass er eine Familie gründete. Aber dazu musste er die richtige Frau finden, so wie es seinem Vater letztendlich gelungen war.
Bud hatte Zuflucht im ehemaligen Arbeitszimmer der Großmutter gesucht. Während sie an dem Schreibtisch saß, an dem so viele Bücher entstanden waren, hörte sie deutlich die Stimmen ihrer Mutter und der Tante oben auf dem Dachboden.
»Rede mit mir«, drängte die Mutter Margaret sanft.
Statt einer Antwort gab es nur einen dumpfen Schlag, als ein prall gefüllter Plastiksack durch die offene Falltür auf dem Treppenabsatz darunter landete. Nur darum ging es. Wie immer. Und anstatt das Problem anzupacken, kehrten sie es wie gewöhnlich unter den Teppich. Sie hatten aus den Fehlern der Vergangenheit nichts gelernt.
Obwohl Bud Untreue in der Ehe nicht gutheißen konnte, hätte sie ihrer Großmutter alles verziehen. Oft hatte sie als Kind das offizielle Foto von Großmutter und Großvater betrachtet, das in Afrika aufgenommen worden war, ohne so recht zu begreifen, dass der Respekt einflößende, schöne und
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