Für immer, Deine Celia: Roman (German Edition)
der Dunkelheit leuchtend weißen Taschentuch nicht zu bemerken.
Sie war verwirrt. Was sie über die Liebe wusste, hatte sie aus der Lektüre ihrer Romane. Männer waren herrisch und auf Beute aus – und obwohl sie nie über Sex gesprochen hatten, schien ihre Mutter derselben Meinung zu sein. Sie war in jenen Tagen sehr zurückhaltend, fürchtete wohl, etwas Falsches zu sagen, sah sie nur ängstlich mit einem Blick an, der wie eine Warnung war, dass Versprechen keine Gültigkeit hatten, solange man keinen Ehering am Finger trug. Aber Frederick war anders. Er war imstande, die Verlobung zu lösen. Auch jetzt noch.
Bet bot eine Erklärung an. Wer sonst wusste so gut über Männer Bescheid? »Er will es nicht«, murmelte sie. Das allerdings traf nicht ganz den Kern der Sache. Ein Teil von ihm hatte es sehr wohl gewollt, so als hätten ihr Duft und ihr Körper einen Schalter umgelegt und als ob er die Kontrolle über sich zu verlieren drohte. Aber diese herrliche Macht der Leidenschaft hatte nur wenige Sekunden gedauert. Nachdem er sich wieder in der Hand und zu seiner alten liebenswürdigen Beherrschtheit zurückgefunden hatte, schien er auch für das eigene Verhalten nur Verachtung übrigzuhaben.
»Will was nicht?«, erkundigte sich Bet.
Celia wurde jetzt dunkelrot. »Na, du weißt schon.«
Bet reagierte umgehend, als wäre das ein allgegenwärtiges Problem: »Aha.« Dann fragte sie: »Er ist dreißig, oder?«
»Neunundzwanzig.«
»Er muss andere Frauen gehabt haben.«
»Hat er.« Auf jenem Spaziergang hatte Celia all ihren Mut zusammengenommen und gefragt. Hatte sie als Verlobte kein Recht darauf, es zu erfahren? Frederick hatte gezögert, bevor er kühl geantwortet hatte: »Keine, wegen der du dir Sorgen machen müsstest.«
»Und?«
»Er möchte nicht darüber sprechen.«
»Natürlich«, sagte Bet stirnrunzelnd.
Celia glaubte, förmlich die bitteren Gedanken der Freundin erraten zu können: Will nicht mit dir schlafen! Will nicht reden! Was ist los mit dem Kerl ? »Ich liebe ihn«, flüsterte Celia, denn was anderes als Liebe sollte diese hilflose Hingabe bedeuten? Alle sagten ihr, welches Glück sie habe. Und sie wollte nur eines: heiraten. Schließlich hatte sie das einsame, demütigende Leben der Frauen ohne männlichen Schutz aus nächster Nähe erlebt.
»Was hat er damit gemeint, er sei nicht auf ›Brautschau‹?« Bet klang mit einem Mal erleichtert, beinahe amüsiert. Sie hatte das Rätsel gelöst. »Für ihn gibt es zwei Sorten von Frauen.« Sie zog eine Grimasse, denn sie wusste sehr gut, zu welcher Kategorie sie gehörte. Kein Wunder, dass Frederick in ihrer Gegenwart so schroff war. »Das geht klar, sobald ihr verheiratet seid. Vertrau mir!«
Eine andere Sache beunruhigte Celia wesentlich mehr. Bet allerdings war die Letzte, mit der sie darüber sprechen konnte. Sie und Frederick würden Far Point bald für immer verlassen. Und er hatte sie mehrfach mit bedeutungsvollem Blick gewarnt, sich auf ein völlig neues Leben vorzubereiten. Aber Celia war erst siebzehn Jahre alt. Wie sollte sie das Leben ohne ihre Freunde und vor allem ohne ihre geliebte Mutter ertragen?
6
Du hast nach meinen Erinnerungen an jene Zeit gefragt,
aber ich bin nicht sicher, dass ich dir das erzählen sollte,
auch nicht nach all den Jahren. Vermutlich dumm von mir – aber Priscilla darf nie davon erfahren. Es war so:
1944 saß ich eines Abends im Garten von Island View,
habe mit einem Kerl eine Zigarette geteilt, der in jener Nacht
über den Kanal geschickt werden sollte. Das war alles –
ein Glimmstängel zu zweit. Er war erst zweiundzwanzig,
aber er war dazu ausgebildet, Minen zu legen, und er hat
erzählt, er müsse unter Wasser weiterschwimmen,
sobald sie ihn abgesetzt hatten, um nicht von möglichen
nächtlichen Patrouillen entdeckt zu werden, und er hatte
Angst, zu ertrinken. Natürlich hätte er mir nichts von
alledem verraten dürfen. Ich sehe ihn heute noch vor mir –
die junge, rosige Haut, fast ohne Bartwuchs – und höre
die Erregung in seiner Stimme, als er mir von dem
Mädchen erzählte, das er liebte, und ich war wie
besoffen davon – nur hatten wir gar keinen Alkohol.
Ich hatte den Eindruck, als wolle er jemandem von seinen
Gefühlen erzählen – einem Zeugen, auch wenn es nur
eine Fremde wie ich war –, weil er wusste, dass er sterben
würde. Ich habe ihn nie wiedergesehen, aber seit ich
achtzig geworden bin, denke ich täglich an ihn.
Vielleicht ist er es, der es mir nicht gestattet zu
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