Für immer, Deine Celia: Roman (German Edition)
geringste Idee zu haben, wie er die kommende Woche überstehen sollte. Selbstmitleid hatte ihn derart überwältigt, dass er nicht einmal auf das Klingeln des Telefons reagierte. Er fühlte sich Fragen von Guy (oder irgendjemandem sonst) nach seinem Befinden nicht gewachsen, denn dahinter wähnte er die üble Absicht, ihn zu irgendeiner Art freiwilliger Tätigkeit im Dienste der Allgemeinheit zu bewegen. Er hatte dies nicht grundsätzlich ausgeschlossen – er war in dem Glauben an soziale Verantwortung erzogen worden –, war dazu jedoch definitiv noch nicht bereit.
Nach ungefähr einer Minute ertönte ein sanftes Pochen an der Tür. Es war natürlich Mel, die in ihrer rücksichtsvollen, höflichen Art stets anklopfte. Er wusste, dass sie wusste, wie er sich fühlte, obwohl er wenig darüber sprach. Das war das Ding mit einer guten Ehe: Man musste nicht alles dezidiert aussprechen. Zumindest das war ihm gelungen, sagte er sich, obwohl er und Mel seit Mirandas schockierender Eröffnung eine Phase unerfreulicher Uneinigkeit durchlebten. Aber auch darüber hatte keiner ein Wort verloren.
»Ich störe doch nicht, oder?«
»Ganz und gar nicht, Liebes!«, versicherte er Mel und klappte seinen Computer zu. Es gelang ihm, sich offen und gedankenverloren zu geben, wie ein Mann, den man zwar bei einer wichtigen Tätigkeit unterbrochen hatte, der aber dennoch froh war, seine Frau zu sehen. Wie stets empfand er ihre liebevolle Beschützerattitüde außerordentlich tröstlich. Gelegentlich erschauderte er bei dem Gedanken an die Parade gefühlskalter Blondinen, die Mels Vorgängerinnen gewesen waren. In Mel hatte er sich erst nach der Heirat verliebt, und er dankte Gott für seinen guten Instinkt.
»Telefon«, informierte sie ihn unnötigerweise. »Es ist Rodney Cartwright.«
»Ah!« Er hatte den Anruf des Anwalts seiner Mutter wegen des Testaments erwartet. Er strich sich mit der Hand über das Gesicht, von den Augenbrauen zum Kinn, als bereite er seine Miene für ernste Angelegenheiten vor. Geld würde aufgrund des ständigen Aderlasses durch die zwanzigjährigen Pflegekosten kaum übrig bleiben. Vielmehr war es sehr wahrscheinlich, dass seine Mutter Schulden hinterlassen hatte, die einen Großteil der Summe aufzehren würden, die der Verkauf des Hauses einbrachte. Frauen konnten mit Geld nicht umgehen, erinnerte er sich, und sie hatte nie großes Interesse daran gezeigt. Dennoch hatte sie jedes Hilfsangebot energisch abgelehnt. Soviel er verstanden hatte, war es ihr dabei hauptsächlich um die Wahrung ihrer Unabhängigkeit gegangen. Sehr wichtig für alte Leute , erinnerte er sich selbst trübsinnig.
»Ist wohl besser, ich rede mit ihm«, antwortete er Mel und griff bereits nach dem Telefonhörer.
»Robert?«
»Rodney? Nett, dass Sie anrufen.«
»Sag mal, könntet ihr, Margaret und Sarah und du, es einrichten, diese Woche zu mir in die Kanzlei zu kommen? Wir haben einiges zu bereden.«
»Selbstverständlich«, stimmte Robert enthusiastisch zu, auch wenn das Testament der Mutter kaum Diskussionsstoff bieten konnte. Er wunderte sich, weshalb der Anwalt ihnen die Einzelheiten nicht in einem Brief mitgeteilt hatte. Blödmann , schalt er sich dann mit sarkastischem Lächeln. Schließlich war die ganze Welt auf das schnelle Geld aus. Wie hoch war das Honorar eines Advokaten auf dem Land? Vermutlich war eine Summe von fünfhundert Pfund nicht zu hoch angesetzt, wobei er und seine Geschwister unnützerweise aus London anreisen mussten und ungefähr eine Stunde in Rodneys Kanzlei mit dem Austausch von Plattitüden verbringen würden, bevor er ihnen das Offensichtliche eröffnete (bei einer Tasse Tee und ein paar alten Vollkornkeksen). Auch jetzt schon klingelte vermutlich die Kasse auf dem Schreibtisch des Anwalts. Einige sind auf der Sonnenseite , dachte Robert grimmig. Offenbar habe ich in meinem Leben aufs falsche Pferd gesetzt. Höflich sagte er jedoch laut: »Das muss ich mit meinen Schwestern abstimmen. Ich rufe dann zurück.« Und er fügte hinzu: »Sarah ist schon draußen in Parr’s und räumt auf.«
Er legte so schnell auf, wie es die Höflichkeit erlaubte. Sie würden in seinem Wagen fahren, beschloss er, denn er hielt sowohl Margaret als auch Sarah für schlechte Autofahrerinnen. Außerdem würden sie unterwegs zu Mittag essen. Es war eine ausgezeichnete Gelegenheit, einen seiner Entschlüsse in die Tat umzusetzen. Robert stellte fast, das er sich auf den Ausflug freute. Ein Projekt! Plötzlich sah das Leben
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