Für immer, Deine Celia: Roman (German Edition)
Frauenliteratur, obwohl sie aus den Nachrufen begriffen hatte, dass ihre Mutter, als das Manuskript entstanden war, ihr Thema geändert hatte: von romantischen Schmonzetten zu Familiendramen. Zu ihrer Überraschung entwickelte sich vor ihr eine gut konstruierte, mit Witz und Leidenschaft geschriebene Story. Sie genoss die Lektüre so sehr, dass sie über weite Strecken vergaß, wer die Autorin war – bis sie durch eine Passage auf Seite vierundfünfzig mit einem Mal hellhörig wurde. Sie las diese dreimal mit ständig wachsender Irritation und fühlte sich ausgesprochen peinlich berührt.
»Jahrelang lebte ich ohne Fehl und Tadel. Ich habe Tee und Kuchen aufgetischt, während du mich mit deinen glänzenden Augen fixiert hast, ohne mich wahrzunehmen. Ist das Leben ein Fünfuhrtee? Du hältst dich für einen Experten in Sachen Liebe, aber weißt du auch, wie man sich fühlt, wenn man einem Mädchen die Dummheit austreiben will, die Gehirnwäsche von einem kaltschnäuzigen Kerl ungeschehen machen möchte, der nur Qualen, nicht Zärtlichkeit kennt? Oh, Mary, wie gern würde ich dir eine andere Art der Liebe zeigen.«
Margaret erkannte in dieser Romanfigur, die einem Mädchen vorwarf, ihn nicht wahrzunehmen, einen Mann aus dem richtigen Leben. Nicht durch die Worte – Charles hatte nie auf diese Weise mit ihr gesprochen –, sondern aufgrund einer unverkennbaren Duplizität des Charakters. An dieser Textstelle redete der Mann ganz unverstellt so, wie sich ihr Mann als unbeteiligter Dritter ausdrücken würde.
Das Mädchen wurde als dumm, selbstzerstörerisch und unfähig, einen guten Mann zu erkennen, beschrieben. Und, als sei das nicht schon niederschmetternd genug, fand sich all das in einem Roman ihrer Mutter. Margaret erkannte eine definitive Sympathie für den Charles-Charakter. Sie blätterte zurück zum Anfang des Buches und entdeckte, dass es 1982 veröffentlicht worden war. Aber nur wenige Jahre später, als sie um einen grundsätzlichen, wichtigen Rat gebeten hatte, hatte ihre Mutter eine völlig andere Meinung vertreten.
Margaret fühlte sich an jenen Abend erinnert, als der »echte« Charles ihr seinen Antrag gemacht hatte. Wie hätte sie wohl reagiert, wenn er sich so leidenschaftlich benommen hätte wie die Romanfigur?
»Besser geht’s und wird’s nicht«, verkündete er, nachdem der letzte Gang des Gourmet-Menüs abserviert worden war; und ihr wurde mit ängstlichem Schaudern klar, dass das Essen allein nicht der Grund gewesen war, ihren Geburtstag zu feiern. Es bot lediglich die Gelegenheit, auf die er geduldig gewartet hatte: den Moment, als er merkte, dass sich die Dinge zu seinen Gunsten zu verändern begannen.
Es war der 29. November 1989 gewesen, der Tag, an dem sie siebenunddreißig Jahre alt geworden war. Trotz aller Proteste hatte Charles darauf bestanden, einen Tisch in dem mit einem Michelin-Stern ausgezeichneten Restaurant an der Themse zu reservieren. Während sie Champagner tranken, das exquisite Essen genossen und die glitzernden Lichter bewunderten, die sich im dunklen Fluss spiegelten, lächelten sie sich immer wieder zu, als wollten sie sich gegenseitig versichern, dass Schweigen nicht unbedingt bedeutete, dass man sich nichts zu sagen hatte.
Zu diesem Zeitpunkt kannte sie Charles, der auf die vierzig zuging, bereits fast acht Jahre. Während dieser Zeit hatte er sie mit zahllosen luxuriösen Einladungen zum Dinner sowie zu Theater-, Opern- und Ballettbesuchen verwöhnt, sie mit seiner Großzügigkeit so weit korrumpiert, dass sie diese inzwischen für selbstverständlich hielt. Natürlich konnte er sich das leisten, und gelegentlich, vielleicht um ihr die Scheu zu nehmen, sprach er dies auch aus. Außerdem war sie sich ihrer Schönheit nur allzu bewusst. So hatte sie also dem klugen und erfolgreichen Mann gestattet, sie zu verwöhnen, obwohl sie keinerlei Gefühle für ihn hegte.
Er behandelte sie mit einer Art melancholischem Respekt, den sie im Lauf der Zeit ebenfalls für bare Münze nahm. Er ist schüchtern, sagte sie sich, und verkannte, welch große Selbstsicherheit nötig gewesen wäre, ihr gegenüber den ersten Schritt zu tun.
Er war nicht ihr Typ. Aber ihr Typ hatte sie im Stich gelassen. Das machte diesen Geburtstag so bitter. Irgendwie war sie zu einer Frau in mittleren Jahren geworden, ohne richtig erwachsen zu sein. Sie hatte weder Mann noch Kinder oder eine maßgebliche berufliche Karriere. Sie war verblüfft über ihr eigenes Unvermögen, ausgebrannt durch
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