Für immer, Deine Celia: Roman (German Edition)
machte sie nur noch sympathischer und schien zu der liebenswerten Person voller Selbstzweifel zu passen, die aus Notiz- und Tagebüchern sprach. Aber jetzt zeichnete sich allmählich ab, dass sich Celia die schlimmsten Eigenschaften der oberen Zehntausend zu eigen gemacht hatte: Snobismus, Doppelzüngigkeit und Vertuschung. Jenny spürte, wie sie geistig auf Distanz ging – für eine Biografin vermutlich nicht die schlechteste Vorgehensweise.
Dennoch tat es ihr leid, Bet verstört zu haben, denn sie bewunderte deren mutige und kompromisslose Art. Wäre das Gespräch anders verlaufen, hätte sie noch eine Frage gestellt – oder sich vielmehr langsam an diese herangetastet und aufmerksam nach bestimmten Reaktionen Ausschau gehalten. Aus Gründen, die noch erforscht werden mussten, hatte eine glücklich verheiratete, junge Frau begonnen, weltfremde, kitschige Groschenromane zu schreiben. Dennoch begann Jenny zu ahnen, dass auch hinter der noch seltsameren Entwicklung in späteren Jahren ein Geheimnis steckte: Eine emotionale Gezeitenwende von einem Ausmaß, das Celia in eine echte Schriftstellerin verwandelt hatte. Hatte sich ihr attraktiver Ehemann, den alle ihr treu ergeben wähnten, in eine ernsthafte Affäre verstrickt? Steckte das dahinter?
Die Antwort musste irgendwo im Haus verborgen sein. Und solange Jenny die Familie bei Laune halten konnte, war sie überzeugt, diese auch zu finden.
19
Deine Kinder kannst du der Obhut anderer überlassen.
Aber tu das nie mit einem Ehemann.
DIALOG AUS »SHE LOVED HIM«.
Liebe Celia, Deine Bitte hat mich, gelinde gesagt,
überrascht. Wie Du weißt, nimmt mich mein Job
sehr in Anspruch. Aber nachdem Jack und ich die Sache
besprochen hatten, sind wir übereingekommen,
vorübergehend einzuspringen. Ich hoffe, die Kinder
reagieren gut darauf. Wir verstehen, dass Du
Frederick nach Nigeria begleiten musst,
aber unserer Auffassung nach ist Margaret
für ein Internat noch viel zu jung …
AUSSCHNITT AUS EINEM BRIEF VON BET PARKER VOM JUNI 1958.
War Blutsverwandtschaft wichtig? Bet glaubte nicht daran. Aus ihrer Perspektive als 86-jährige Frau war Freundschaft das Elixier des Lebens. Zwar war sie ein Einzelkind ohne eigene Nachfahren, sie hielt sich jedoch seit Jahrzehnten für eine Matriarchin. Sie und Celia hatten sich gemeinsam über Roberts Neigung, sich zu überarbeiten, oder die sehr unterschiedlichen Probleme der Mädchen (wie sie sie nannten, auch als sie bereits die fünfzig überschritten hatten) stets Sorgen gemacht und sich an den Enkeln erfreut. Ihre erste Aufgabe nach jeder Jahreswende war es, eine Reihe von Geburtstagen in ihren neuen Kalender einzutragen, denn es war undenkbar, dass ein Familienmitglied sechzehn, siebenundzwanzig oder sogar sechzig Jahre alt wurde, ohne ein Päckchen mit einem Stück Folkloreschmuck, gestickten türkischen Hausschuhen, einem raffinierten Gerät zum Schneiden von Avocados oder ein anderes, mühsam ausgesuchtes Geschenk von Bet zu erhalten. Da Celia und Frederick beide nicht mehr lebten, fühlte sie die Verantwortung beinahe schmerzlich. Also schwieg sie über ihre Knieschmerzen und die beängstigende Atemnot. Sie musste ewig leben – diese Entscheidung hatte sie bei der Beerdigung getroffen. Daher auch die erstaunliche Energie, die alle beeindruckte.
Normalerweise hätte sie sich bereits den ganzen Tag auf das Abendessen bei Robert gefreut. Doch diesmal war sie halb krank vor Angst. »Ich möchte am Telefon lieber nicht darüber sprechen, mein Junge«, hatte sie ihm erklärt. »Familienangelegenheit. Wichtig.«
Robert hatte in seiner typischen, liebenswerten Mischung aus Höflichkeit und Eifer reagiert. »Klingt faszinierend, Tante Bet! Was für ein exzellenter Anlass für ein nettes Abendessen!« Aber natürlich hatte er keine Ahnung gehabt, was ihn erwartete.
»Wir teilen doch alles miteinander, stimmt’s?«, hatte Celia einmal glücklich bemerkt. Wie sich herausstellte, war das nicht die ganze Wahrheit gewesen. Bet schwirrte noch immer der Kopf von der Enthüllung über eine tote erste Ehefrau. Der Gedanke, dass ihre beste Freundin etwas so Ungeheuerliches vor ihr geheim gehalten hatte! Sie konnte sich nicht erinnern, sich je so verletzt gefühlt zu haben. Kein Wunder, dass sie mit dem Stock auf diese Journalistin losgegangen war. Nur schade, dass sie sie nicht erwischt hatte. Gott allein wusste, welche Auswirkung das alles auf die Kinder haben würde. Sie fürchtete, dass sie auch die Nachricht, wem Far Point
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