Für immer die Seele (Für-immer-Trilogie) (German Edition)
ist doch erst halb neun. Was hast du denn noch so Wichtiges vor?«
Ich erstarre. Das muss es sein. Er hat eine Freundin. Das würde auch das Bloß-nicht-berühren erklären. Der Gedanke, dass auf der anderen Seite der Bucht jemand auf ihn wartet, versetzt mir einen Schlag in die Magengrube.
»Ich muss gehen«, sagt er bestimmt. »Bringst du mich noch bis zur Ecke?«
Rayne stupst mich an und schaut auf Griffon.
»Okay, bin gleich wieder da«, sage ich, und wir schlendern langsam davon.
»Alles in Ordnung?«, fragt er mich.
»Ich denke schon.« Plötzlich bin ich irgendwie deprimiert und erschöpft. Neben uns hält der Bus, und wir treten zurück, um Platz für die Aussteigenden zu machen.
»Hey, wann ist das Konzert, von dem Kat gesprochen hat? War das nicht diese Woche?«, fragt er.
»Ja, am Samstag.«
»Gilt die Einladung noch?«
»Klar, wenn du willst …«, antworte ich und versuche, möglichst gleichgültig zu klingen. Ein Teil von mir wünscht sich nichts sehnlicher, als dass er dabei ist. Aber ein anderer – wenn auch nur sehr kleiner – Teil sagt mir, dass es für uns beide besser wäre, wenn er einfach in den Bus stiege, nie mehr zurückkäme und samt seiner Geschichte über Akhet und Wiedergeburt einfach im Dunkel der Nacht verschwände. »Es beginnt um acht. Aber du musst dir ja nicht unbedingt alles anhören.«
»Hast du ein Solo?«
»Ein Duett mit Klavier. Zusammen mit meiner Freundin Julie. Ein Stück von Massenet.«
»Welches?«
Ich werfe ihm einen verdutzten Seitenblick zu. Außer meinen Freunden im Konservatorium ist mir noch nie jemand begegnet, der auch nur den Namen des Komponisten kennt. » Meditation . Aus der Oper Thaïs . Nichts Besonderes. Ich glaube, wir sind als Letzte dran.«
»Ich komme auf jeden Fall.«
Dann schweigen wir beide ein bisschen verlegen – unter anderen Umständen der geeignete Augenblick für einen Abschiedskuss. Der Moment im Film, wo es endlich passiert: Er beugt sich zu mir herab, streift mit seinen Lippen leicht meine Wange, ich fahre mit meinen Fingern durch seine Locken und ziehe ihn sanft an mich … Doch alles, was passiert, ist, dass er mir beim Einsteigen noch einmal kurz zuwinkt und »bis Samstag dann« ruft.
Sobald er außer Sichtweite ist, schüttele ich den Kopf und atme tief durch. Alles klar. Natürlich hat er eine Freundin. Er will nichts von mir. Warum auch? Wahrscheinlich bin ich für ihn eher so was wie ein ehrenamtliches Projekt: Betreuung von Erstklässlern.
Als ich wieder vor dem Kino ankomme, kann Rayne vor Aufregung kaum an sich halten. »Das ist ja Wahnsinn! «, quiekt sie und hüpft von einem Bein auf das andere. »Unglaublich! Hat er dich geküsst? Worüber habt ihr geredet? Siehst du ihn am Wochenende wieder?« Sie hakt sich bei mir ein. »Du musst mir alles erzählen!«
Ich wünschte nur, es gäbe etwas zu erzählen. Ich bleibe kurz stehen und sage: »Bleib auf dem Teppich. Wir gehen nicht miteinander aus, also gibt es auch nichts zu erzählen. Ist auch besser so. Griffon … hat ein paar äußerst seltsame Ideen.«
»Ideen – was für welche?«, haucht Rayne, mit einem Mal ganz Ohr. Seltsame Ideen jeglicher Art sind genau ihr Ding. »Hat es mit Sex zu tun?«, flüstert sie noch leiser.
»Nein!«, sage ich ein wenig zu heftig. »Es ist …«, ich spreche nicht weiter, denn ich bin unsicher, wie viel ich preisgeben soll. Auf keinen Fall kann ich ihr haarklein alles berichten, was Griffon gesagt hat. Aber immerhin ist sie meine beste Freundin, und wenn ich wenigstens ein bisschen was mit ihr teile, geht es mir hinterher vielleicht besser. »So merkwürdige Ideen über Tod, Wiedergeburt, frühere Leben und so.«
Rayne schaut mich an, als sei ich hier die Verrückte. »Das ist alles? Ich meine, das trifft auf halb Berkeley zu. Meine Mom redet die ganze Zeit davon – Indigo-Kinder, Rückführungen und so. Sie würde ausflippen, er wäre genau der Richtige für sie.«
»Aber nicht für mich«, sage ich.
»Wart’s ab, das wird sich noch zeigen.«
8
Nervös gehe ich hinter der Bühne auf und ab. So aufgeregt wie heute war ich noch nie vor einem Auftritt. Warum habe ich Griffon bloß eingeladen? Die dümmste Idee seit Langem. Es lenkt mich viel zu sehr ab. Vor Hunderten von Leuten zu spielen, macht mir nichts aus. Mom und Dad kann ich verkraften. Sogar wenn Veronique kommt, ist das okay. Aber warum musste ich ihm verraten, dass das Konzert heute stattfindet? Ich wünschte, ich könnte die Worte zurücknehmen. Ich wage
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