Für immer die Seele (Für-immer-Trilogie) (German Edition)
diesmal da sein, um dich zu beschützen«, sagt er leise. »Aber ich habe total versagt.«
Zuerst bin ich glücklich über seine Worte. Er will mich beschützen. Doch dann werde ich skeptisch. »Diesmal? Wie meinst du das?«
Er schaut mich verwirrt an, so als wüsste er nicht, wovon ich eigentlich spreche. »Na, jetzt. In diesem Leben. Ich muss dich vor Veronique beschützen.«
Trotz all der Dinge, die er zu mir gesagt hat, frage ich mich wieder, ob das alles ist, was ich für ihn bedeute. Seine Mission ist es, die Welt zu retten, und mich rettet er quasi im Vorbeigehen gleich mit? »Ich brauche keinen Beschützer. Ich kann auf mich selbst aufpassen.«
Griffon schaut auf die Reihe der Apparate und Monitore, dann auf den Infusionsständer neben meinem Bett. »Ja, das sehe ich.«
Die Tür geht auf, und Dad erscheint hinter dem Vorhang, mit zwei Bechern Kaffee in der Hand. Er sieht müde aus. Als er mitkriegt, dass ich wach bin, lässt er beinahe die Becher fallen. Griffon kann sie ihm gerade noch aus den Händen nehmen.
»Cole!«, sagt er mit zittriger Stimme. Dann räuspert er sich. »Wurde auch Zeit. War nicht gerade aufregend, dir beim Schlafen zuzusehen.«
Ich schenke ihm ein kleines Lächeln. Dads Versuche, schwierige Situationen mit dummen Witzen aufzulockern, sind berüchtigt, aber diesmal bin ich ihm dankbar für die Ablenkung.
»Tut mir leid, dass die Show so langweilig war, Dad.«
»Ich gehe dann wohl besser«, sagt Griffon und nimmt seine Jacke von der Stuhllehne. »Vielen Dank für den Kaffee.«
»Du kannst ruhig bleiben«, sage ich. Dass ich nicht bereit bin, in seinem Heldenepos die Rolle des armen hilflosen Mädchens zu spielen, heißt noch lange nicht, dass er gehen soll.
»Jetzt ist ja dein Dad da. Ich wollte auch nur kurz schauen, wie es dir geht. Ich rufe dich später an.« Beinahe hastig rennt er aus dem Zimmer und mit einem dumpfen Geräusch fällt die Tür hinter ihm zu. Ich weiß genau, was ich in den nächsten Stunden tun werde: daliegen und mir immer wieder seinen letzten Satz vorsagen. Ich rufe dich später an.
Dad beugt sich über mich, gibt mir einen Kuss auf die Wange und streicht mir die Haare aus der Stirn, genau so, wie er es immer getan hat, als ich noch klein war und er mich ins Bett brachte. Schmerzlich wird mir klar, wie sehr ich seine Gutenachtgeschichten von damals vermisse. Immer wieder musste er mir dieselben Bücher vorlesen, Abend für Abend, wochenlang. Es macht mich traurig, zu denken, dass er im nächsten Leben nicht mehr mein Dad sein wird. Eines Tages bin ich wieder ein kleines Kind, aber dann bringt jemand anders mich ins Bett und liest mir vor. Ich werde mich an dieses Leben und meinen Dad erinnern, aber er nicht. Ich frage mich, wie Griffon das schafft: In jedem Leben mit neuen Menschen aufwachsen, so als würde man bekannte Rollen mit immer neuen Gesichtern besetzen. Es muss sehr einsam sein.
»Du hast uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt«, sagt Dad. Er deutet mit dem Kopf in Richtung Tür. »Griffon ist nicht von deiner Seite gewichen.«
Der Gedanke, dass er die ganze Zeit an meinem Bett gesessen hat, macht mich so unglaublich glücklich, dass ich mir schon albern vorkomme. Ich merke, dass ich ein bisschen rot werde. »Na ja, darüber können wir ja später noch sprechen«, sagt Dad mit einem Lächeln.
Ein kleiner, stechender Schmerz durchzuckt meinen Arm, wie wenn man sich am Musikantenknochen stößt. Ich schaue hinüber auf die Schiene und versuche, meine Finger zu bewegen. Es tut nicht besonders weh, sondern fühlt sich eher an, als sei mein ganzer Arm eingeschlafen. Ich sehe, dass Dad mich beobachtet.
»Soll ich fragen, ob du noch was gegen die Schmerzen bekommst?«
»Nicht nötig im Moment.« Ich zögere, denn ich weiß, dass ich die nächste Frage stellen muss, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich die Antwort auch wirklich hören will. »Wie schlimm ist es?«
»Die Wahrheit?«
»Nein, Dad. Erzähl mir eine nette kleine Lüge … Natürlich die Wahrheit.«
Ein Anflug von Schmerz huscht über sein Gesicht. »Es sieht nicht gut aus. Die Scherbe ist ziemlich tief eingedrungen, bis auf den Knochen, und hat alles durchtrennt. Sie haben dich operiert und versucht, es so gut wie möglich wieder zu flicken.«
Ich denke an die komplizierten Fingersätze von Meditation . Von eigentlich jedem guten Stück. An die Kraft, die man für das Fortissimo braucht, und das feine Gefühl, ohne das keine Pianissimo -Stelle gelingt. »Kann ich …«,
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