Fuer immer Ella und Micha
auf seinem geröteten Gesicht nickt Ethan zu Lila. »Sie serviert gerade irgendeinen Typen am Telefon ab. Das ist zum Brüllen.«
»Bist du etwa auch besoffen?«, frage ich entsetzt und schwanke ein wenig nach hinten, als Ella sich mit ihrem gesamten Gewicht an mich lehnt.
Ethan bejaht. »Ein bisschen, kann sein.«
Ich streiche Ella das Haar aus dem Gesicht. »Und wer von euch ist gefahren?«
»Wir haben ein Taxi genommen.« Ethan stürzt sein restliches Bier herunter und stellt die leere Flasche zu vielen anderen Flaschen und Gläsern an die Wand. »Ich bin doch nicht bescheuert und fahre angetrunken.«
Ella hält eine Hand an mein Ohr und flüstert: »Aber wir sollten den Taxifahrer nicht bezahlen. Ethan wollte, dass wir rausspringen und weglaufen.«
Stöhnend lege ich einen Arm um sie. »Schaffen wir euch drei an einen Tisch, damit ich mich auf meinen Auftritt konzentrieren kann.«
Ich suche ihnen eine Sitznische weit hinten und bitte die Kellnerin, die mir alles gezeigt hatte, sie im Auge zu behalten und ihnen nichts mehr zu trinken zu geben. Sie sind abgefüllt – komplett hinüber, und das kann nur Ärger geben.
Ella hat diesen Trauriger-Welpe-Ausdruck, als sie ihren Kopf auf den Tisch legt, und ich wische ihr das Haar aus der verschwitzten Stirn.
Ich hocke mich neben sie und frage leise: »Ist heute Abend irgendwas passiert, das dich so fertiggemacht hat?«
Sie schüttelt den Kopf und dreht ihn weg. »Nein, nichts. Ich will bloß nach Hause und ins Bett.«
Sie lügt, doch jetzt gerade kann ich nicht nachbohren, bis sie mir die Wahrheit sagt. Obwohl es mich beinahe killt, gehe ich zurück zum Bühnenbereich und hole meine Gitarre. Als ich auf die Bühne und ins Licht trete, wird es ein bisschen ruhiger, aber eigentlich ist es immer noch viel zu laut. Überhaupt ist dieser Club ein Drecksloch, und ich würde gern ausnahmsweise mal irgendwo spielen, wo sich nicht schon alle ins Vorkoma gesoffen haben.
Dennoch schlage ich den ersten Akkord an, beuge mich zum Mikro und schütte mein Herz vor einem Haufen Fremder aus, die mir nicht zuhören.
Nach dem Auftritt fängt mich ein kräftiger, kahlköpfiger Typ im Flur hinter der Bühne ab und reicht mir eine Karte mit seinem Namen und seiner Telefonnummer.
»Hey, das war beeindruckend.« Eine Narbe zieht sich über seinen halben Arm, und er trägt eine Goldkette am Hals.
»Danke«, murmele ich und lese die Karte. »Mike Anderly.«
»Und du bist …« Er wartet, dass ich mich vorstelle.
»Micha«, antworte ich und lasse meinen Nachnamen absichtlich weg.
»Pass auf, ich komme direkt zur Sache.« Beim Reden gestikuliert er ausschweifend. »Ich bin Musikproduzent und arbeite für eine ziemlich kleine, aber gute und ehrliche Plattenfirma drüben in San Diego. Mir gefällt dein Sound. Wenn du willst, unterhalten wir uns mal über deine Zukunftspläne.«
Ich starre auf die Karte. »Meine Zukunftspläne?«
Er nickt. »Ja, mit deiner Musik.«
Ich nehme meinen Gitarrenkoffer auf. »Tja, ich weiß noch nicht, welche Pläne ich habe.«
»Na, dann ruf mich an, wenn du dich entschieden hast«, sagt er und dreht sich zum Clubraum um. »Wie gesagt, ich bin sehr an deinem Sound interessiert.« Mit diesen Worten geht er, und ich komme zu dem Schluss, dass er wohl irgendein Irrer sein muss.
Aber was, wenn er es nicht ist? Was, wenn das hier ein echter Glücksfall ist? Zwar habe ich ihm gesagt, dass ich noch keine Pläne mit meiner Musik habe, aber die habe ich durchaus. Ich will in Läden auftreten, die nicht so heruntergekommen sind, in denen mir die Leute zuhören und mich verstehen. Ich möchte Musiker sein.
Die drei anderen nach Hause zu schaffen ist keine leichte Aufgabe, und ich komme mir ein bisschen wie ein genervter, besorgter Vater vor. Bis wir endlich in unsere Wohnung torkeln, habe ich die Nase gestrichen voll von ihnen und wünsche mir nur, dass sie sofort einschlafen. Ich hebe Ella hoch und trage sie zu meinem Bett, weil sie sich kaum auf den Beinen halten kann.
»Behalte deinen Schwanz in der Hose«, ermahne ich Ethan, der einen Arm um die reichlich angetrunkene Lila gelegt hat und Richtung Küche schwankt. »Und trinkt nicht noch mehr.«
Er winkt ab. Kichernd öffnet Lila den Kühlschrank, in dem sie gleich mehrere Flaschen umstößt. Ich kümmere mich nicht darum, sondern bringe Ella in mein Zimmer. Ihr Atem geht flach, und sie murmelt immer wieder, dass alles vorbei sein soll. Das macht mir schreckliche Angst.
Ohne sie abzusetzen streife ich
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