Für immer, Emily (German Edition)
strich sich durch die Haare. Dann wandte sie sich ab und ging zurück zum Klassensaal.
Mara stand vor dem Raum und hatte ihre Tasche zwischen den Füßen stehen.
„Hier, ich hab deine Sachen zusammengepackt. Das war mal wieder typisch Niclas. Sind deine Kleider sehr nass?“
Emily schüttelte den Kopf. „Nein, geht schon, ist nicht schlimm.“
„Hm, gut. Was hast du jetzt?“ Emily bückte sich und zog einen Zettel aus ihrer Tasche.
„Weiß nicht, warte. Bio ... ich hab jetzt Bio. Wo ist das noch mal?“
Mara verzog das Gesicht. „Wieder in dem Saal von vorhin.“
Emily steckte den Zettel wieder weg. „Ach so, danke.“
Mara musterte sie prüfend. „Ja, danach hast du noch Kunst und dann ist Mittagspause. Ich hole dich ab, wir können in die Cafeteria gehen, in Ordnung?“
Emily zuckte mit den Schultern. „Ja, okay. Also, bis nachher.“ Sie hob ihre Tasche auf und ging langsam den Gang hinunter zum Saal. Fast alle saßen schon auf ihren Plätzen, auch Niclas saß bereits an dem Tisch von vorhin. Sie blieb an der Tür stehen und betrachtete ihn einen Moment. Er hatte den Kopf gesenkt und schrieb etwas in ein Heft. Dabei war die mürrische Miene von seinem Gesicht verschwunden, er wirkte konzentriert und sympathisch. Emily schluckte und setzte sich langsam in Bewegung.
Die Sonne hatte sich mittlerweile durch die Wolken gekämpft und schien mit schwachen Strahlen durchs Fenster. Es sah aus, als hätte sie mit heißen Fingern goldene Lichtreflexe in Niclas` braune Haare gezaubert. Emily näherte sich dem Tisch und ihr Blick heftete sich auf die glitzernden Punkte in seinem Haar. Er schrieb immer noch und schien ganz versunken zu sein.
Sie blieb vor dem Tisch stehen und hätte fast gelächelt, denn es sah süß und jungenhaft aus, wie ihm die Haare in die Stirn fielen. Plötzlich verspürte sie das Bedürfnis, die Hand auszustrecken und ihm die widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht zu streichen. Im gleichen Moment jedoch tauchten wie aus dem Nichts andere Gesichter vor ihr auf ... Gesichter, die sie höhnisch angrinsten, Augen, die gnadenlos und ohne Mitleid auf sie gerichtet waren. Emily schnappte unwillkürlich nach Luft.
Genau in dem Augenblick hob Niclas den Kopf und sah sie leicht verwundert an, dann jedoch verschloss sich seine Miene und der Blick seiner Augen wurde kühl. Er beugte sich wortlos wieder über sein Heft. Emily setzte sich stumm neben ihn.
Niclas schrieb seinen Text weiter, dabei hätte er das Heft am liebsten in die Ecke gepfeffert. Was guckte sie ihn schon wieder so an? Meine Güte, er hatte noch keine zehn Worte mit diesem Mädchen gewechselt, und sie schien vor Angst zu erstarren, wenn sie ihn nur sah. Irgendetwas schien mit ihr nicht zu stimmen, das war doch nicht normal, dass man sich so verhielt. Er beschloss, sie komplett zu ignorieren, denn offensichtlich konnte sie ihn nicht ausstehen und er sie auch nicht.
Er ließ seinen Blick unauffällig neben sich schweifen. Sie sah unglücklich aus, wie sie da neben ihm saß ... unglücklich und müde. Wie jemand, der fast am Ende seiner Kräfte war. Es war komisch, er kannte sie kaum, eigentlich kannte er sie überhaupt nicht, und dennoch war da etwas, was er nicht erklären konnte, und was ihm nicht geheuer war. Er schüttelte unwillig den Kopf und wandte den Blick ab. Wieso hatte er heute Morgen auch nur verschlafen müssen? Wäre er pünktlich hier gewesen, würde er jetzt nicht neben diesem eigenartigen Mädchen sitzen.
Er vertiefte sich wieder in seinen Text und achtete nicht mehr auf Emily.
Einige Minuten später betrat die Biologielehrerin Mrs. Cross den Saal und der Unterricht begann. Emily starrte wie gebannt wechselweise auf die Tafel, die Lehrerin oder in ihr Buch, war jedoch sorgsam darauf bedacht, ja keinen Blick in Niclas` Richtung zu werfen. Er hatte seinen Stuhl ein wenig mehr zur Seite geschoben, und so saßen sie nebeneinander, als das, was sie ja auch waren – zwei Fremde.
K apitel 5
Nach der Biologiestunde standen noch zwei Stunden Kunst auf dem Stundenplan, in denen Emily zwar mit Niclas in einem Kurs war, jedoch nichts mit ihm zu schaffen hatte. Danach war Mittagspause. Sie packte ihre Sachen zusammen und strich sich müde über die Stirn. Sie war völlig erledigt, dabei war der Tag noch nicht einmal vorbei. Und auf das Gedränge und Gerede in der Cafeteria hatte sie jetzt absolut keine Lust.
Sie wusste, Mara würde auf sie warten,
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