Für immer, Emily (German Edition)
Rücken trug, öffnete ihn und reichte ihm die kleine Schaufel, die sie eingepackt hatten. Der Boden war zum Glück noch nicht gefroren.
„Danke.“ Niclas begann zuerst zögernd, doch dann recht zügig ein kleines Loch in die Erde zu graben. Als er damit fertig war, schloss er kurz die Augen. „Mom, ich hab dir hier einen Brief geschrieben, in dem ich dir gerne alles erklären würde. Du weißt schon, wegen damals. Es tut mir alles unendlich leid. Bitte, verzeih mir! Ich hoffe sehr, dass du mir verzeihst.“ Er drückte den Brief kurz an seine Lippen und legte ihn dann in die Erde. Dann begann er, das Loch wieder zuzuschaufeln. „Na ja, eigentlich hat Emily den Brief geschrieben, sie kann das sehr viel besser als ich, aber es sind meine Gedanken, alles, was ich fühle. Manchmal glaube ich, sie kennt mich fast besser, als ich mich selbst. Ich liebe sie sehr, und ich hoffe, nein, eigentlich weiß ich, du würdest dich für mich freuen, dass ich so ein tolles Mädchen gefunden habe. Obwohl ich es ja beinahe vermasselt hätte.“ Er brach ab und stützte den Kopf in die Hand.
Emily kniete sich neben ihn und schlang beide Arme um seine Schultern.
Niclas wischte sich mit einer Hand über das Gesicht. „Das tut immer noch unglaublich weh. Weißt du, irgendwie hab ich die Trauer all die Jahre nie richtig zugelassen. Es ist, als ob mir jetzt erst so richtig bewusst wird, dass sie für immer weg ist.“ Er schwieg bedrückt.
Emily schmiegte ihre Stirn an seine Wange. „Ja, ich weiß. Es wird sicher auch noch eine lange Weile wehtun, Nic. Wichtig ist aber, dass du dir selbst endlich verzeihst. Denn solange du das nicht tust, kann es nicht heilen.“ Sie sah auf das Grab. „Sie haben einen wunderbaren Sohn, Mrs. Delaney. Er hat mir sehr geholfen in den letzten Wochen. Er ist da für mich, er kümmert sich um mich, mit ihm kann ich lachen und weinen. Er hilft mir ins Leben zurück. Und für all das, und noch ganz viel mehr, liebe ich ihn unendlich.“ Sie schwieg kurz. „Sie können wirklich stolz auf ihn sein.“ Sie lehnte den Kopf an Niclas‘ Schulter, und so saßen sie eine Weile stumm vor dem Grab. Dann zündete er noch eine Kerze an und sie gingen langsam zum Ausgang zurück. Es hatte leicht zu regnen begonnen und ein unangenehm kalter Wind wehte. Niclas hatte einen Arm um Emilys Schultern gelegt. Sie fühlte, dass er mit den Gedanken noch nicht ganz bei ihr war, dennoch wirkte er ruhig und zuversichtlich. Wenn sie daran dachte, wie sie zum ersten Mal zusammen hier auf dem Friedhof gewesen waren, an Ashleys Todestag, damals hatte er gequält und zerrissen gewirkt. Vor dem Motorrad blieben sie stehen. Niclas zog sie in seine Arme. Er schmiegte seine Wange in ihre feuchten Locken. „Danke, für alles. Ich hab mir überlegt, ich rede mit meinem Vater. Ich glaube, das ist wichtig für mich, um endlich meinen Frieden zu finden“, murmelte er.
Emily nickte.
Er reichte ihr den Helm. „Komm, ich lad dich auf eine Pizza ein, du siehst ziemlich durchgefroren aus.“
In ihrer Lieblingspizzeria war an diesem Abend nicht viel los, offenbar war es den meisten Leuten zu ungemütlich, um vor die Tür zu gehen. Sie zogen ihre nassen Jacken aus.
Niclas betrachtete Emily prüfend. „Du brauchst unbedingt eine Lederjacke. Und am besten auch eine Hose. Wenn wir mit der Maschine wirklich mal stürzen sollten, bist du mit diesen Straßenklamotten nicht ausreichend geschützt.“
Sie setzten sich an einen freien Tisch. Sie zuckte mit den Schultern. „Ja, schon, aber die Sachen sind teuer, das kann ich mir nicht leisten. Meine Eltern zahlen mir schon die Miete hier und geben mir das monatliche Geld für Lebensmittel und all das, mehr kann ich echt nicht verlangen. Ich hab übrigens drüber nachgedacht, mir einen Job zu suchen. Dann hätte ich ein wenig mehr Spielraum.“ Sie malte mit dem Zeigefinger ein Muster auf die Tischdecke. „Es ist nur ... na ja, du kennst mich. Es fällt mir schwer, unbefangen mit Männern umzugehen, wie soll das gehen? Ich kann ja schlecht zum Beispiel irgendwo kellnern und nur die weiblichen Gäste bedienen.“ Sie strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr. Für einen Moment sah Niclas wieder den Schmerz und diesen ohnmächtigen Zorn, über das, was ihr passiert war, auf ihrem zarten Gesicht. Noch jetzt, Monate nach der Tat, musste sie sich diesen Kerlen beugen, ob sie wollte oder nicht. Ihre Tat bestimmte Emilys Handeln, ihr Denken und Fühlen, und er konnte gut verstehen, wie hilflos sie sich
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