Für immer, Emily (German Edition)
wenig zurück. Tausend kleine Funken tanzten in Niclas‘ Augen.
Sie musste lachen. „Bemitleidenswerte Kreatur? Nun ja, im Moment halte ich dich eher für eine ziemlich freche Kreatur. Und für unglaublich süß.“
Er zog beide Augenbrauen in die Höhe. „Ah. Süß. Daran müssen wir noch arbeiten.“
Emily kicherte. „Arbeiten? An was?“
Niclas‘ Hände glitten über ihren Rücken unter ihre langen Haare. „An diesem ‚Süß‘. Süß, das klingt nach Zuckerguss, Erdbeermarmelade oder Schokocreme. Oder nach dir. Aber nach mir?“ Er grinste.
Emily küsste ihn. „Ach, du magst nicht süß sein? Was möchtest du dann sein? Männlich? Hot? Sexy?“
Niclas legte dieses Lächeln auf, bei dem tausend Schmetterlinge in Emilys Bauch zu flattern begannen. „Klingt schon besser. Ja, also das gefällt mir.“
Sie lachte. „Du Macho. Ich finde dich nun mal süß. Du bist der süßeste Typ, den ich kenne.“
Niclas verdrehte die Augen. „Nun gut. Solange du nur mich süß findest, kann ich damit leben.“
Am nächsten Tag nach der Schule schrieb Emily ihre Zeilen für Niclas‘ Mom auf ein hübsches Briefpapier um, und nachdem er alles noch mal durchgelesen hatte, klebten sie den Umschlag zu.
„So, von mir aus können wir dann zum Friedhof fahren. Oder möchtest du das lieber alleine machen?“ Sie sah ihn fragend an.
Er schüttelte den Kopf. „Nein, bitte komm mit.“
„Okay, sicher. Ich hole nur meine Jacke.“
Sie wollte an ihm vorbeigehen, doch er hielt ihren Arm fest und zog sie zu sich heran. „Danke noch mal, Emily. Du hast dir soviel Mühe mit all dem gegeben. Weißt du, natürlich ist mir klar, dass meine Mom das nicht wirklich jemals lesen wird, aber trotzdem, irgendwie hilft mir die Vorstellung, sie könnte es doch tun. Irgendwo an einem Ort, den wir uns nicht mal vorstellen können. Dass meine Gedanken doch durch irgendeinen Zauber zu ihr durchdringen, sie mich versteht und mir verzeiht.“ Er senkte den Kopf und verzog das Gesicht. „Klingt irre, was?“
Emily sah ihn einen Moment an, dann schüttelte sie den Kopf. „Nein, ich finde, es klingt verständlich. Es ist doch klar, dass du dir das tief im Innersten wünschst, auch wenn es nicht dem entspricht, was wir hier unsere Realität nennen. Aber, wer weiß schon, was zwischen Himmel und Erde so alles geschieht? Ob es wirklich nur das gibt, was wir sehen und uns erklären können. Und selbst wenn es so ist, wer hindert uns daran, unsere Gedanken fliegen zu lassen und uns das vorzustellen, womit wir uns gut und glücklich fühlen? Wir bringen jetzt diesen Brief zum Friedhof und stellen uns vor, wie deine Mom ihn lesen wird, irgendwo an einem Ort, an dem es keinen Kummer und keinen Schmerz gibt. Wo sie glücklich ist und sich voller Liebe an dich erinnert. Was hältst du davon?“
Niclas lächelte und umfasste zärtlich Emilys Gesicht. „Wie machst du das nur, dass alles, was mir so lange wehgetan hat, in deiner Gegenwart leichter und weniger schmerzvoll wird?“
Sie schmiegte ihre Wange in seine Handfläche. „Ich weiß nicht, vielleicht, weil ich dich sehr liebe?“
Niclas beugte sich zu ihr hinunter und küsste sie sanft. Dann schloss er sie fest in seine Arme und sie standen einen Moment ganz still so da, bevor er sagte: „Komm, lass uns fahren, es sieht schon wieder nach Regen aus.“
Zwanzig Minuten später liefen sie Hand in Hand über den Friedhof. Es herrschte eine melancholische Stimmung, leichter Nebel lag über den Gräbern, und fast überall brannten Kerzen. Niclas war sehr still und auch Emily schwieg. Sie dachte an den Brief, der in Niclas‘ Jackentasche steckte, und daran, was sich hinter diesen Worten verbarg. Viele Jahre Kummer und Einsamkeit, so viele Schuldgefühle und Schmerz. Und natürlich wusste sie, dass mit diesem symbolischen Abschied Niclas‘ Kummer über das, was geschehen war, nicht auf einmal verschwinden würde, aber sie hoffte, dass es ihm ein wenig dabei helfen konnte, damit abzuschließen.
Sie hatten Ashley Delaneys Grab erreicht und standen eine Weile schweigend davor. Emily fühlte Niclas‘ Trauer, die Schuld, die immer noch schwer auf ihm lastete, und drückte zärtlich seine Hand. Er lächelte ihr kurz zu, dann ließ er ihre Hand los und kniete sich vor das Grab. Fast zögernd zog er den Umschlag aus seiner Jacke und betrachtete ihn nachdenklich. „Gibst du mir bitte die Schaufel?“ Seine Stimme klang leicht gepresst.
Emily nickte. Sie zog den Rucksack ab, den sie auf dem
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