Für immer, Emily (German Edition)
Gott, er hatte keine Gefühle für Emily. Er beugte sich vor und stützte den Kopf in die Hände. Er hatte keine Gefühle für sie. Oder doch? Nein, das war unmöglich, einfach unmöglich! Er und Emily, sie waren völlig verschieden, sie empfanden nichts füreinander, nicht mal Freundschaft. Er hob vorsichtig den Blick und sah in ihre Richtung. Sie hatte den Kopf tief über ihre Bücher gebeugt und schrieb etwas in ein kleines Heft. Ihre Hand zitterte dabei. Nun legte sie den Stift weg und wischte sich über die Wange. Sie wischte die Tränen weg, Tränen, die er nicht sehen sollte, und die sie nur wegen ihm weinte. Und plötzlich überkam ihn das heftige Bedürfnis, seine Hand auszustrecken und nach ihrer zu greifen. Ihr zu sagen, dass er es nicht so gemeint hatte, und wie nett es von ihr war, sich um ihn zu sorgen. Leider betrat just in diesem Moment Dr. Smith den Raum und begann sofort mit seinem Unterricht, sodass sich keine Gelegenheit mehr ergab, etwas zu sagen. Niclas hörte nur mit halbem Ohr zu, und warf ab und an vorsichtige Blicke zu Emily hinüber, die ihn aber komplett ignorierte. Das schlechte Gewissen nagte heftig an ihm, und er überlegte, was er tun könnte, damit sie seinetwegen nicht mehr so unglücklich war. Kurz entschlossen riss er ein Stück Papier aus seinem Block, kritzelte hastig ‚ Es tut mir leid, entschuldige bitte ‘, darauf und schob es zu ihr hinüber.
Sie las den Zettel und zerknüllte ihn in ihrer rechten Hand. Schließlich sah sie zu ihm herüber, und er konnte deutlich erkennen, dass sie immer noch verletzt war. Dennoch lächelte sie ihm kurz zu, wobei es allerdings ein eher trauriges Lächeln war, das ihm mehr wehtat, als ihn zu erfreuen. Mehr konnte er im Moment aber wohl kaum erwarten, vermutlich konnte er froh sein, wenn sie überhaupt noch ein Wort mit ihm reden wollte, so, wie er sie schon oft behandelt hatte.
Als die Stunde zu Ende war, hielt er sie am Arm fest, als sie den Saal verlassen wollte. Sie sah ihn erstaunt an, blieb aber stehen.
„Emily, hör zu, es tut mir wirklich leid, dass ich vorhin so ekelhaft war. Ich ... du hast Recht, es geht mir nicht wirklich gut, aber das ist kein Grund, es an dir auszulassen. Bitte entschuldige.“
Sie sah ihn einen Moment an. „Schon gut. Vergessen wir es.“ Sie zögerte kurz, und er dachte, sie wolle noch etwas sagen, doch dann drehte sie sich um und ging weiter.
Er stand noch da, als Kevin auftauchte und ihn mit einem sarkastischen Lächeln musterte. Niclas wandte sich zu ihm um. „Sag jetzt nichts, okay? Sag jetzt einfach gar nichts.“
Kevin hob abwehrend die Hände. „Schon klar, du hast alles unter Kontrolle. Sicher doch.“
Niclas setzte schon zu einer wütenden Erwiderung an, doch dann atmete er tief durch. „Nein, hab ich nicht. Und das ist ja das Schlimme.“ Damit drehte er sich um und lief den Gang hinunter, während Kevin ihm erstaunt hinterher sah.
In der Mittagspause vermisste Emily Niclas in der Cafeteria. Ihre Blicke wanderten immer wieder durch den großen Saal, aber sie konnte ihn nirgends entdecken. Seine Freunde saßen alle an einem der Tische, aber keine Spur von ihm. Vielleicht war es naiv von ihr, und eigentlich hatte er es nach diesem Auftritt am Morgen auch gar nicht verdient, aber sie machte sich dennoch Sorgen um ihn. Vermutlich bildete sie sich das alles nur ein, aber sie glaubte, hinter dieser mürrischen, unnahbaren Fassade einen sehr verletzten Jungen zu sehen. Einen, der ihre Seelenqual vielleicht besser verstehen könnte, als jeder andere. Sie stocherte in ihren Nudeln herum.
Mara stieß sie in die Seite. „Was ist denn los mit dir? Hast du keinen Hunger?“
„Nein, nicht so sehr.“
Mara nickte. „Ach ja, sicher wegen Niclas, hab ich Recht? Habt ihr euch gezofft? So, wie der drauf war heute Morgen, wäre es ja ein Wunder, wenn nicht.“
Emily schüttelte den Kopf. „Nein, haben wir nicht. Es ist alles okay mit Niclas und mir.“ Sie hatte keine Lust, Mara von der Sache zu erzählen, sie würde nur wieder versuchen ihr klarzumachen, dass sie sich von ihm fernhalten sollte. Außerdem wollte sie nicht, dass Mara schlecht über ihn dachte.
„Warum erzählst du Mara nicht, dass Niclas dich total angemacht hat? Hat er doch. Ich hab‘s gehört.“
Emily hob den Kopf und sah Jeffrey verärgert an, der ihr gegenüber saß. Was ging ihn das an?
„Ach, das hast du gehört? Wie schön für dich. Achte doch in Zukunft lieber auf Sachen, die dich was angehen. Und was ich mit Niclas
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