Für immer, Emily (German Edition)
„Klar, wieso nicht?“
Sein Vater lehnte sich zurück und faltete die Zeitung zusammen. „Ich weiß nicht, du wirkst missgestimmt.“
Niclas ließ sich auf den Stuhl fallen, goss Milch in eine Schüssel und schüttete ein paar Cornflakes hinterher. „Missgestimmt? Hm, ach was.“ Er rührte mit dem Löffel in seinen Cornflakes, während er missmutig vor sich hinstarrte.
Peter betrachtete seinen Sohn forschend. Er sah bedrückt und auch zornig aus. Peter kannte diesen Ausdruck in Niclas‘ Augen gut, denn auch seine verstorbene Frau Ashley hatte diesen Ausdruck gehabt, wenn sie verletzt oder unglücklich gewesen war, es aber auf keinen Fall zugeben wollte. Niclas glich ihr in so vielen Dingen, er hatte ihre sensible Art geerbt, aber auch ihren Hang, immer alles mit sich selbst ausmachen zu wollen. Und er hatte ihre Augen, diese braunen Augen mit den kleinen Goldfünkchen darin. Peter seufzte innerlich, denn er wusste sehr gut, dass er vieles falsch gemacht hatte bei seinem Jungen. Als Ashley starb, war Niclas knapp elf Jahre alt gewesen, und aus dem fröhlichen kleinen Jungen war nach ihrem Tod ein verschlossener, rebellischer Teenager geworden, der dringend die starke, führende, aber auch liebevolle Hand seines Vaters gebraucht hätte, der allerdings selbst in seiner Trauer wie erstarrt war und es nicht fertig brachte, sich mit den pubertären Launen und der wütenden Verzweiflung seines Sohnes auseinanderzusetzen. Er liebte Niclas von ganzem Herzen, das war immer so gewesen und würde immer so sein, aber all seine Fähigkeiten, diese Liebe zu zeigen, schienen mit Ashley gestorben zu sein. Und es kam, wie es kommen musste: Ihre vorher liebevolle Vater-Sohn-Beziehung verkam zu einer reinen Wohngemeinschaft, was Peter mittlerweile zutiefst bedauerte. Als ihm jedoch endlich klar geworden war, was er aufs Spiel setzte, fand er keinen rechten Zugang mehr zu seinem Sohn. Niclas war kein Kind mehr, und Peter fürchtete wohl zu recht, die verlorenen Jahre nie wieder gutmachen zu können.
Dazu kam sein Job, der ihn stark beanspruchte und ihn viel Zeit kostete. Aber was sollte er machen? Sie mussten ja von irgendetwas leben. Niclas würde bald ein College besuchen und auch ein Studium musste finanziert werden. Peter seufzte wieder und beobachtete seinen Sohn, der immer noch gedankenverloren in seiner Schüssel rührte. Im Grunde wusste er kaum etwas von ihm. Er kannte außer Kevin kaum einen seiner Freunde, er wusste nicht, ob und in wen Niclas jemals verliebt gewesen war.
Sein Sohn war ein bildhübscher Junge, und eigentlich müssten die Mädchen hier Schlange stehen, aber er brachte nie eine mit nach Hause. Von Gesprächen zwischen Niclas und Kevin, die er am Rande mitbekommen hatte, wusste Peter, dass es schon einige gegeben haben musste, aber offenbar war Nic nie eine wirklich wichtig gewesen. Peter konnte sich auch denken, warum, und das schlechte Gewissen nagte noch stärker an ihm.
Und nun hatte er eine Neuigkeit für seinen Sohn, von der er ganz und gar nicht wusste, ob sie ihm gefallen würde. Er schob seinen Teller zur Seite und sagte vorsichtig: „Niclas, ich würde gerne kurz etwas mit dir besprechen. Es kommt vielleicht jetzt etwas plötzlich, aber einmal muss ich es dir ja erzählen.“
Niclas sah seinen Vater an, während er weiter in den Cornflakes rührte, ohne auch nur einen Löffel davon gegessen zu haben. „Okay, schieß los.“ Seine Stimme klang nicht wirklich interessiert.
Peter atmete tief durch. „Nun, es ist so – könntest du vielleicht einen Moment mit der Rührerei aufhören? Danke. Also, ich habe seit einigen Monaten eine neue Kollegin, Taylor. Und, nun ja, wie soll ich sagen, sie ist sehr nett, und wir waren zu Anfang einige Male zusammen in der Mittagspause etwas essen und haben schnell gemerkt, dass wir uns sehr gut verstehen, weißt du.“ Er brach ab und strich sich durch die Haare, eine Geste, die sein Sohn ganz offensichtlich von ihm geerbt hatte. Er fühlte Niclas‘ braune Augen auf sich ruhen. „Also, ich will nicht lange um den heißen Brei herumreden, du bist ja auch kein kleines Kind mehr, dem ich etwas vormachen müsste. Ich habe mich in Taylor verliebt, und sie sich in mich.“ Er warf einen unsicheren Blick in Niclas‘ Richtung, der nun ganz still dasaß, den Löffel allerdings immer noch in der Hand hatte. „Was meinst du dazu?“
Niclas legte den Löffel jetzt in die Schüssel zurück. „Warst du gestern bei ihr, bist du deshalb so spät gekommen?“, fragte
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