Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
Vom Netzwerk:
gehörte, sichtlich älter als Sarah, einen halben Kopf kleiner als Valerie. Sie umarmte beide Gäste, die sie überhaupt nicht kannte, kurz und herzlich, dazu erklärte sie mit einem für Valerie nicht identifizierbaren ausländischen Akzent: »Ihr seid ja von Jordis, ja das isch ein leischte Problem … Isch habe der ganze Party abgesagt, weil man uns … uns hat der Baupolizeiamt verboten, daß viele Leute kommen, aber isch konnte nischt alle einladen … Wir haben hier eine kaputte Boden, die Balken verrottet, und müssen nächste Woche ausziehen, drei Wochen lang … bis dahin ischt es gemacht, aber wir wissen nischt wohin, ja? Es ist alles eher verrückt … Zieht doch die Jacken aus …«
    »Kommt Jordis äh … also Jordis kommt schon noch?« fragte Valerie und schalt sich gleichzeitig zu unsicher deswegen: Muß ich denn unbedingt Leute um mich haben, die ich kenne? Zumal ich Jordis gar nicht so gut kenne, eigentlich kaum. Sarah beruhigte sie beiläufig. »Ich hab’ sie grad noch am Handy gehabt, bevor wir uns getroffen haben. Sie kommt auf jeden Fall noch, mit ihrem neuen Freund … Sie weiß anscheinend, daß die Party sehr wenig Leute … ah, hallo.«
    »Hallo!«
    Es war ein Schatten in der verdunkelten Küche rechts vom Flur, der Sarahs Gruß erwiderte – ein junger Mann. Auf dem Küchentisch brannte schwach eine Kerze. Valerie blinzelte, nieste. Das Arrangement schien gemütlich, aber auch mulmig.
    Als Valerie, nachdem sie ihre Jacke an einen Kleiderhaken gehängt hatte, von der sich immer noch über verrottete Balken, Mieterschutz und dreiwöchige Sanierungen verbreitenden Gastgeberin mit einer Geste aufgefordert wurde, Sarah durch den mit blauen Plastikperlen besetzten Jamaikavorhang zur Küche zu folgen, kam ihr die Situation kurz bedrohlich vor, wie wenn eine Drogenwirkung einsetzt, ein nicht ganz gewollter Rausch einen überkommt.
    Innere Inventur: Was haben wir hier? Eine, na ja, Party – mit bislang vier Leuten, Gläsern auf dem Tisch und Obst in einer Schale, Weinflaschen daneben, Achtziger-Jahre-Hits aus einem winzigen Radio über der Spüle.
    Schäbig, gemütlich, nicht ganz nachvollziehbar: erwachsen.
    Lauwarm halbverdutzt saß man zusammen, und die Frau, die zu schnell und zu akzentbelastet redete, als daß Valerie alles verstanden hätte, gab zu verstehen, daß sie aus Schweden (oder Dänemark?) stamm­te, daß das hier schon ihre sechste Berliner Wohnung in nur zwei Jahren war, daß sie immer wieder übers Ohr gehauen wurde und daß nebenan, übern Flur, in dem Zimmer, das zum Balkon gehörte und dessen Erleuchtetheit man von der Straße aus hatte sehen können, ihre Mitbewohnerin gerade ein ernstes Gespräch unter Frauen mit ihrer besten Freundin führte – wirklich, hatte sie das gesagt: »Mit ihrer besten Freundin«? Oder bloß »mit ihrer Freundin«? Valerie fragte sich neugierig, aber auch etwas schamhaft, ob die Mitbewohnerin vielleicht lesbisch war.
    Verrottete Balken. Verschlossene Türen. Gespräche unter Frauen.
    »Soll das heißen«, fragte Sarah, sich eine Zigarette anzündend, mit ihrer antrainiert selbstbewußten, also typisch neunzehnjährigen Offenheit in Gesellschaft, »daß wir hier jetzt auf einem Boden sitzen, der durchbrechen kann, und die Polizei aus dem Grund die Party verboten hat?«
    Valerie mochte und bewunderte solche Offenheit, auch wenn sie Sarah gelegentlich ermahnte: »Das ist typisch. Sei nicht immer so typisch«, worauf Sarah regelmäßig, im Sinne einer auswendig gelernten Pointe, zurückgab: »Ich bin auch nicht typischer als sonst. So typisch bin ich immer.«
    »Na ja«, half also auf Sarahs typische Frage der im Kerzenhalbdunkel nicht genau erkennbare Typ mit der beginnenden Stirnglatze, im – soweit Valerie erkennen konnte – hübschen Pulli und mit großen Ohren, seiner schwedisch-dänischen Bekannten aus, »der Schaden ist ja ei gentlich bloß in der Speisekammer und in der Küche, nur da sind die Dinger so richtig morsch, da werden die Renovierhanseln auch am meisten richten, wobei Sophie«, so hieß also die Frau aus dem Norden, die schicksalsergeben lächelnd hinter der Kerze saß und eine Orange schälte, »halt Angst hat, daß die jetzt auch noch das Bad kacheln, wenn sie alles richten. Und danach dann einfach die Miete erhöhen.«
    »Das dürfen sie aber gar nicht«, erwiderte Sarah mit großer Bestimmt­heit, »so was Ähnliches ist Kai … Kai Friese, kennst du den, der ist mit Katharina zusammen, die Jordis kennt …«
    Er nickte, sie

Weitere Kostenlose Bücher