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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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fuhr entflammt fort: »Und also ähm bei Kai ist der Boiler in der Küche verreckt, und da haben sie dann festgestellt, daß auch noch andere Sachen im Arsch waren, Wasserzuleitungen oder was, und das ist alles gemacht worden, und dann wollten sie danach auch die Miete erhöhen, aber da ist er zur Mieterberatung, Mieterverein, Mieterschutzbund oder wie das heißt gelaufen und … Da solltest du auch hingehen, Sophie …«
    Die dänische Schwedin lächelte noch breiter und sagte in leisem ­Sing­sang: »Ach isch weiß nischt, hab isch eigentlisch keine Zeit für.«
    In diesem Moment, wie von Loki Lügenzunge angefacht, flackerte die Kerze kurz auf und erlosch.
    Die vier saßen im Dunkeln.
    Valerie dachte, den Atem einen Augenblick lang anhaltend: Hoffentlich kommt Jordis wirklich bald. Vielleicht können wir dann ganz schnell woanders hingehen, meine zwei den Alten abgetrotzten Stunden sind schon zu einem Viertel aufgebraucht, und lustig ist es hier eigentlich nicht. Warum macht sie jetzt nicht ein Licht an?
    Sophies nächster Satz zerstörte diese Hoffnung: »Ischt ja witzig … hier in Dunkel … isch glaube, so lassen wir das. Es ist ein Abwechslung, nischt?«
    So blieb es wirklich. Eine weitere endlose Viertelstunde später fragte sich Valerie, ob das eigentlich wirklich wahr sein konnte, ob sie tatsächlich hier war, als wäre das nicht komplett Gaga, blind wie ein Maulwurf – und man unterhielt sich über Schweden, das heißt primär darüber, wie lang das Land ist, und daß der Weg von Südschweden nach Nordschweden genauso weit ist wie der von Südschweden nach Rom.
    Absolutes Dunkel bückte sich, spürte Valerie nervös, über ihrem Kopf, um ihr in die Augen zu fassen und da irgendwas rauszupopeln: Warum fallen mir nur immer solche Sachen ein, solche Bilder und Befürchtungen? Bin ich irre? Liegt das daran, daß meine Mutter eigentlich tot ist, aber trotzdem noch, oder wieder, bei uns wohnt?
    Vom Fenster her, in Sophies Rücken, vibrierte lustlos ein Schimmer, weil wenigstens das rückwärtig gegenüberliegende Haus ein paar erleuchtete Fenster hatte.
    Als Jordis eintraf, standen die Schwedin und Sarah auf, begrüßten Jordis und ihren Freund auf dem Flur (da funzelten wenigstens zwei schwache Glühbirnen, Valerie bekam richtig Sehnsucht nach Licht, wenn sie nur hinzwinkerte). Wir sind gefangen, umlauert von Schwärze, fehlt nur noch, daß wir flüstern müßten … und ich, als Jüngste auf dieser »Party«, kann ja schlecht verlangen, daß man die bedrückende Versammlung aufl öst, oder mich am Ende aufspielen wie dieser Goethe, als er starb: mehr Licht.
    Um nicht ganz hysterisch zu werden, wandte Valerie ihre Aufmerk­samkeit dem einzigen neuen Reiz zu, der seit zwanzig Minuten angefallen war: Jordis hatte also ihren Freund mitgebracht, einen, wie sich rausstellen sollte, sehr schweigsamen, übertrieben mundfaulen Menschen, der ein verschattetes Kinn hatte, sehr kurze Stoppeln um den Mund und kaum Schultern, soweit Valerie das von der dunklen Küche aus auf dem Flur hatte erkennen können. Sie mußte, stellte sich her aus, aufgrund der beengten Raumverhältnisse mit ihrem Stuhl ein Stück­chen in Richtung Fenster rücken, um dem Bartschatten Platz zu machen, und als sie dabei unter ihren Sitz griff, auch einmal mit der Hand auf den Boden patschte, weil sie glaubte, ihr Schal sei vom Stuhl gerutscht, bekam sie etwas Rundes und Kühles zu fassen, hob es hoch und teilte es leise und vorsichtig den andern mit: »Hier äh hab’ ich … irgendwas.«
    Es sah, bei dem wenigen Licht, aus wie ein Kugelfisch – die kleine Ausbuchtung an einem der Pole schien der Kopf und fühlte sich, mit dem Daumen betastet, besonders unangenehm an.
    »Das ischt ein Orange«, erklärte die finnische Norwegerin. Kein Kugelfisch, dachte Valerie enttäuscht: Sind die nicht giftig? Die Eierstöcke oder Leber oder was das war? Hatten wir neulich in Bio. Und trotzdem eine Delikatesse, in Japan als »Fugu« begehrt … jedenfalls aufregender als eine dämliche Orange.
    »Neulisch ist unsere Obstschale umkippt, es sind Früchte auf dem Boden gefallen … Ischt gut, wenn sie gefunden werden, oder?«
    So, dachte Valerie, den falschen Fugu noch in der Hand, konnte man also wirklich leben: Erwachsene, das waren Leute, denen Früchte schon mal unter die Stühle rollten, wenn keiner achtgab, und die sie dann, auf morschem Balkenboden, während morbider Sitzpartys im Finstern, erfreut wiederfanden. Der junge Mann, der schon bei Sarahs und

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