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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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Philip, der sich beim Freiburger Exilrolf, der ich bin, auch nimmer meldet, nix ehrlich Gutes jedenfalls. Ihr Weiber und Weiberhelden von der Arschpartei könnt wahrscheinlich überhaupt nix ehrlich Gutes empfinden. Christine also hat mir bei Eurem Telefonanruf gesagt, Du hättest ›Sehnsucht‹, ausgerechnet nach mir. Da sage ich also, nein falsch: da VERSPRECHE ich also fest, am Freitag runterzufahren mit der Kackbahn und diese dumme Disco zu besuchen. Na, DU hattest bestimmt was Besseres vor, das glaub’ ich Dir schon – aber war das zuviel verlangt, mich wenigstens vorher anzurufen, damit ich mir die Fahrt nach Scheißthal spare? Klar, war zuviel verlangt für jemanden, für den ich bestenfalls immer bloß der Hanswurst war, für jemanden außerdem ohne jedes Taktgefühl, der am Tag drauf – weil ich Idiot natürlich noch einen weiteren Tag in Sonnenthal rumhocke, so daß dann sogar meine Dreckfahrkarte wertlos wird – noch mal 13 Mark, Kleinigkeit unter uns Millionären – natürlich andauernd, und zwar schon ab 9 Uhr 30 morgens, ›nicht da‹ war. Selbst wenn das stimmt: Was soll ich DIR denn noch glauben? Nein, es reicht mit dem Kasperletheater. Liebe Damen aus dem Horrornest: Sonnenthal, Langenau und Umgebung – sucht euch einen Blöderen. Einen NOCH Blöderen, wo soll es den geben, wirst Du Dich kichernd fragen. Na von mir aus.
    Nie wieder Jennifer
    Rolf«
    So war das: Der siebzehnjährige Mahner klagt Taktgefühl ein, ich glaub’, ich sinke in die Erde. Nur eine Last, nur einen Koffer, einen Anker im Herzen, einen Tumor im Kopf, omnia mea mecum porto. Alle Felsen leuchten. Der Boden ist selber aus Licht, das zu Glas aufgeblasen wird von der Wichtigkeit der größtmöglichen Gefühle.
    Ich stehe aber im Finstern.

Siebenhundertsechsundachtzigster Tag
    Der Chef hat mir ein Angebot gemacht: Ich schreibe über die Katzengeschichte, die ich ihm, wie er sagt, vor genau vier Jahren das erste Mal erzählt habe, unweit des Tempelbergs bei ein paar äthiopisch-orthodoxen Christen im Teegärtlein, und zur Belohnung – »dafür, daß du versuchst, das mal zu verschriftlichen, Junge« – darf ich dann in seinen Keller. Muß ich wohl annehmen, oder? (Ja, ich weiß, du liest das, Alter. Aber ich verstehe nicht, warum du die Geschichte so wichtig findest.)

Siebenhundertneunzigster Tag
    Heute neben Jim, in zwei Maschinen, einander lässig langgestreckt umkreisend wie die Schwalben, übern Lake Tiberias geflogen, wie wir hier bekanntlich den alten »See Genezareth« aus dem Reli-Unterricht nennen sollen. Wir haben uns angeschaut, wo die militärischen Einrichtungen der Kapuzinerleute sind. Sehen aufgeräumter aus als unsere, fester, stolzer.
    Wieder ein poetisches Bild zersplittert: Stimmt nicht, daß so eine Seeoberfläche »wie ein Spiegel« aussieht. Es ist ein Fenster. Wir sahen andere Flugzeuge, in Formation, sechs Maschinen, topneu, gehören dem Hutmann, heißt es. Kein Funkkontakt.

Achthundertster Tag
    Ein Zeugnis, vielmehr ein »Schulbericht der Grundschule«, Klasse 1 c, Schuljahr 1977/78, 2. Schulhalbjahr, geschrieben am 14. Juni 1978:
    »Rolf hatte meist ein gutes Verhältnis zu seinen Mitschülern. Manchmal war er nicht immer beherrscht und störte durch sein unruhiges Verhalten den Unterrichtsablauf. Rolf zeigte sich häufig sehr verträumt und geistig abwesend. Es fiel ihm schwer, Ordnung in seinen Schulsachen zu halten. Er ging zwar mit fremdem Eigentum sorgsam um, doch verhielt er sich gegenüber eigenen Sachen wenig gewissenhaft. Rolf bemühte sich immer, im Umgang mit Erwachsenen die Formen der Hö flich keit zu wahren. (…) Rolf kann fremde Texte in Druck- und Schreibschrift einwandfrei und flüssig lesen. Er ist fähig, geübte Sätze und neue Wörter auswendig niederzuschreiben. Rolf verfügt über einen umfangreichen Wortschatz und kann Gehörtes inhaltlich wiedergeben. Er kann Aufgaben im Bereich bis 20 selbständig lösen und sein mathematisches Wissen bei Sachaufgaben verwerten.«
    Es hat sich buchstäblich nichts getan seit damals. O.k., bei der Sachaufgabenverwertung habe ich ein bißchen nachgelassen, aber sonst: Formen der Hö flich keit, fremde Texte einwandfrei und flüssig, umfangreicher Wortschatz. Ich war mit acht Jahren fertig.
    Seitdem bin ich nur gestorben.

Achthundertneunter Tag
    Stichwörter, das wär’ was, Gott behüte. Da sähe mein stattgehabter Tag dann folgendermaßen aus: Mach 5, Missile-Abwehr / Wer lacht da? / Dornbusch. Auszehrung. Zeder / Logistische Basen

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