Für immer in Honig
pisswarmem Holländerbier an, das Teil der letzten Lieferung des Siedlers war.
Yakov, so sagt er selbst mir dann, sei alles andere als ein Zionist, von Überzeugungen halte er nichts, sehe sich als Söldner, und als Juden nur, weil es ihm nicht nütze, sich nicht als Juden zu sehen: Nazis und Arabern sei es egal, ob jemand sich selbst hinreichend jüdisch fände, die hätten ihre eigenen Richtlinien (alle Araber? frage ich entgeistert, und: alle Araber!, ja doch, antwortet er).
Für Sold hat er in den ersten der neuen Kriege gekämpft, in denen Tote nicht tot geblieben sind, sagt er mir, im Gegensatz zu seinem Bruder, der Historiker sei, Geschichtslehrer, der habe in Amerika studiert, dann in Jerusalem gelehrt, Pendler, Wohnung in Jaffa, Tagesschlafgelegenheit unter der Woche in Jerusalem, politisch links, aber kein Postzionist: »He’s probably more of a Zionist than I’ll ever be, guns and ammo notwith-standing.«
Wahrscheinlich sei der Bruder tot, jedenfalls sei er zum Zeitpunkt der großen Offensive (Yakov mag den Ausdruck Totentanz nicht, kommt ihm zu partyhaft vor) nicht in Jerusalem gewesen, wo man seinen Verbleib im Nachhinein vielleicht noch ermitteln könnte – es gibt da ja eine noch recht gut mit Zäunen und Wachen geschützte jüdische Bevölkerung, selbst heute –, sondern in Tel Aviv, wo die Toten ihre Toten zu der Zeit nicht mehr begraben, sondern schon gegessen haben.
Söldner, frage ich, neue Kriege, frage ich, was er denn so gesehen hätte dabei? Yakov spuckt an die Wand, wo Karins Kinder angefangen haben, die Arche Noah zu malen, und sagt: »Chechnya«.
Ich, in meiner notorischen CNN -Unbildung, denke zuerst, er meine die Tschechei, von Kämpfen dort ist mir zwar nichts bekannt, aber ich nehme dummerdings an, die wären halt am Tag der Offensive ausgebrochen. Nach einer Weile aber stellt sich heraus, daß es sich um einen Teil Rußlands handelt, jedenfalls der ehemaligen Sowjetunion, daß der Krieg, den er meint, in den Neunzigern losgegangen ist, und also vermute ich, es wird wohl das bei uns sogenannte »Tschetschenien« sein.
Krieg ist das Langweiligste von der Welt, die permanente Todesgefahr entschädigt dafür nicht, sagt Yakov und schnorrt mir den Rest meines pisswarmen Holländerbiers aus der Hand. Was er erlebt habe? Erlebt, my ass: Puppenregierungen, Namen wie Achmed und Aslan (ich denke an C.S. Lewis und an Greg Egan: daher der Name? aus dieser Region?), primitivste Erklärungen, die wohl wirklich stimmen – ein Krieg für Profit, die Ex-Sowjet-Armee hat dadurch einen Grund, fortzubestehen und sich hoch bezahlen zu lassen. Ich denke an einen schnellen Artikel über Louis Riel, den ich mal für die Zeitung zusammengehackt habe: Ende neunzehntes Jahrhundert, Kanada, die Zentralregierung hat einen Bürgerkrieg mit den Mestizen von Winnipeg produziert, damit das Parlament die Kohle für den Eisenbahnausbau rüberschiebt, denn dann können die Truppen transportiert werden. Man kann sich diese Sachen gar nicht eindimensional genug vorstellen, »Ver schwörung« wäre eine Beschönigung.
Yakov hat gesehen, wie russische Soldaten, seine Waffenbrüder, einen gefangenen, halbtoten Tschetschenen monatelang wegen des erwarteten Lösegelds von seiner Familie in einer Kellergrube am Leben gehalten haben. Söldnerdasein: zehn bis zwanzig Rubel Bestechungsgeld pro Checkpoint-Verletzung durch Schwarzhändler. Kopfprämien auf Rebellen. Plünderungen, lässig organisiert von regulären Truppenteilen. Eine-Hand-wäscht-die-andere zwischen russischen Soldaten und tschetschenischen Kriminellen.
Tragödien, Gähnkrämpfe beim Wacheschieben, Prostitution.
Gestank – ich höre das gerade ab, auf der Minidisc: »And I mean stench of the worst kind: cold stench.«
Die Sonne flimmert im Untergehen, ein kaputter Fernseher.
Meine Haut ist überall warm, auch da, wo sie aus Papier ist. Ich fühle mich, als hätte ich ein Herz aus glattem Wachs. Yakov hatte einen Job, auch wenn es ein ekelhafter war, und jetzt, beklagt er sich, hat er keinen mehr und muß den Helden spielen. Ich studiere seine Tattoos; es sind nicht diese Tribal-Poserornamente aus Metal- und Gothic-Kreisen, die man von der Volksbühne oder dem Columbia Fritz kennt, sondern krude Seemannsdinger, mehr blau und grünlich als schwarz – er war selbstverständlich auch wirklich eine Weile auf See, Zypern, für die Griechen (»Never the turks. The Turks don’t pay jack shit, they want you to believe in their cause«, lacht er), hat
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