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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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ethnopharmakologische Untersuchungen über den Gebrauch von Gift bei den alten haitianischen Sklavenaufständen vorab von Jürgen gelesen und für ausgezeichnet befunden worden waren.
    Am ersten Tag des viertägigen Kongresses verursachte ein Landsmann Dieters und Jürgens einen kleineren Eklat. Herr Pohrt aus Stuttgart, aufgrund der Fürsprache irgendeines Sozialforschungsinstituts unter die Neusiedler geraten, hielt ein übellauniges, spöttisches Referat, das sich hauptsächlich auf die Informationen einer W namens Tracy Kidder stützte, offenbar amerikanische Journalistin, früher häufig auf der Insel, inzwischen aber in Amerika in der Anti- TRIPS -Bewegung aktiv. Pohrt, ein schlanker, fast dürrer Mann mit Pistoleroschnauzbart, einer vergleichsweise leisen aber einzelne Worte gern eindringlich betonenden Stimme und für einen Gelehrten nachgerade geschmacklos ostentativem Gebaren, verstimmte zahlreiche Anwesende dadurch, daß er nichts Gescheiteres mit seiner Redezeit anzufangen wußte, als jene zu verleumden, denen die Neusiedler ihr Hiersein überhaupt verdankten: »Schade, daß Jeanne Alber nicht hier ist. Schade, daß niemand von der Kreuzerstiftung hier ist – ich meine nicht Monsieur Hainault und Herrn Täuber, die hier das Logistische koordiniert und bezahlt haben, ich meine Leute, die aus eigener Erfahrung etwas erzählen könnten, zu dieser Untersuchung hier. Wir haben diese Insel ja nicht erlebt, bevor sie entvölkert wurde – wir wissen nur aus den Quellen, und ich habe mich da deshalb ein bißchen informiert: Sie war in scheußlicher Verfassung. Es gab Entwicklungshilfe, natürlich, von den Amerikanern, der EU , Kanada, Japan und verschiedenen Zweigen der UN . Aber zwischen 1995 und dem Totentanz hat man diese Hilfen um zwei Drittel reduziert – das ist erstaunlich, finden Sie nicht? Die Amerikaner haben ihre Hilfen sogar rasch noch einmal halbiert, ab 1999 – auch etwas, das ich nicht gewußt habe, und ich wette, niemand hier hat es gewußt. Die Weltbank – und da wäre es nun wieder interessant, Frau Alber zu befragen, sie hat die besten Kontakte, zur Weltbank, zum Weltwährungsfonds, zur WTO – hat dem Land Haiti nichts mehr geliehen, hat ihr Büro hier in der Stadt, wie mir W Kidder sagte, kurz vorher einfach geschlossen, es blieb bloß ein Hilfsadministrator zurück, und ein Fahrer. Aber das eigentlich Interessante, für unser schönes Vorhaben, die verbrannte und vergrabene Geschichte der Insel wieder auszubuddeln und aufzupolieren, und, wie ich manchmal glaube, vielleicht auch ein bißchen in freundlicheren Farben anzustreichen – das eigentlich Interessante, wozu uns Frau Alber sicher etwas sagen kann, betrifft eine Art Supersparkasse, bei der die Kreuzerstiftung bedeutende Einlagen deponiert hatte, natürlich vor allem aus humanitären Gründen, weil diese Supersparkasse die geeignete schien, das Geld schnell zu den Bedürftigen zu bringen, während die ständig noch bedürftiger wurden als eh schon. Ich meine die Inter-American Development Bank, IDB . Diese internationale Finanzinstitution hat sich, liest man in allen Dokumenten darüber, um Lateinamerika und die Karibik immer wieder verdient gemacht, und war jedenfalls eine der mächtigsten Gläubigerinnen Haitis. In den späten Neunzigern nun war man beim Board dieser Bank stark damit beschäftigt, ein Paket zu schnüren – ein Paket neuer Kredite, um einigen der schreiendsten Bedürftigkeiten des Landes abzuhelfen –, hundertachtundvierzig Millionen Dollar, mit denen Straßen verbessert werden sollten – wir haben uns alle über diese Straßen geärgert, man kann darauf auch dann nicht Auto fahren, wenn man ein funktionierendes Auto hat. Wir dachten, das seien Kriegsfolgen, aber diese Straßen sind seit Jahrzehnten so – ja, und das Gesundheitssystem sollte verbessert werden, sollte zu den sich wandelnden Krankheiten sozusagen ­auf­schließen – damals gab es weder Rotfeuer noch P.A.S , aber Durchfall tötete achtundsechzig haitianische Kinder pro Tausend, bevor sie fünf Jahre alt wurden. Das lag am dreckigen Wasser, wissen Sie. Na und das sollte auch verbessert werden, mit den hundertachtundvierzig Millionen, die Versorgung mit kochbarem Wasser. Aber im Frühjahr 2001, als diese Kredite gewährt werden sollten, hat ein guter Freund von Frau Alber, der US -amerikanische Repräsentant im IDB -Board of Executive Directors, dem Präsidenten der Bank einen Brief geschrieben, der darum bat, daß diese Auszahlung gestoppt

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