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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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verbrannt oder in feuchte Stücke geschossen. Doktor Rock ließ den Motor laufen und sprach ein neues Mantra, das ihm gut gefiel: »Ich fahr’ los, wenn sie drin sind, ich fahr’ sofort los, wenn sie drin sind, sofort, wenn sie drin sind.«
    Seine Fluchtroute die Heinrich-Heine-Straße runter stand fest, das Gebiet südlich davon war das erste befreite Areal von Berlin: Die W und der Widerstand hatten am Abend vorher den lang geplanten Aufstand begonnen, sie hielten sich gut. Valerie und Judith stützten die delirierende Jennifer auf der Schräge des Tempelzugangs. Cordula und Andy zerstörten die Torwachen. Die Chefin brach das elektronische Siegel, sie hatte etwas dabei, »mit Magnet«, wie sie Andy kurz erklärte.
    »Wie schön«, sagte Andy. Ihm war nicht gut, eine Kugel hatte ihn in der Schulter getroffen, und das Blut pulste rasch und stark aus der Wunde.
    »Also, gute Reise, ab dafür!« rief Doktor Rock. Bela sprang neben ihn ins Auto, Cordula winkte, Andy hielt die Tür auf.
    »Ich wollte immer wissen, wie’s da drin aussieht. Ich arbeite hier, auf der Baustelle, wi-wißt ihr«, sagte Judith zähneklappernd. Andy nickte ihr zu. Die kleine Gruppe huschte durchs Gebäude wie eine Gespensterschulklasse im Museum. Das Spiel der vielfarbigen Lichter, das durch die paar bereits eingesetzten Fenster ins Gewölbe fiel, verwirrte die Befreite sehr: »Turn… Turnhalle?«
    Cordula lachte. Die Flügeltür fiel hinter ihnen zu, sie hörten Amanda noch rufen: »Bonne chance!«
    Etwas wie ein Bolzen aus Stahl rastete irgendwo ein, über ihnen, im halbfertigen Dachstuhl, unter den Plastikplanen, mit denen da alles verhängt war.
    Die Statue inmitten des zentralen Wasserbeckens der Haupthalle ent­lockte der mühsam mit Valerie schritthaltenden Judith ein: »Na, aber!«, denn sie stellte nicht, wie Judith vermutet hatte, den Hitler dar, sondern einen riesigen, schlanken Cartoon-Hasen, der den rechten Arm gegen die Hüfte gestemmt hatte und in der linken Hand eine angebissene Mohrrübe hielt.
    Das Ding war zweieinhalb Meter groß und aus massivem Marmor.
    »Seltsamer … Sinn … für Humor …«, fand murmelnd Jennifer. Cordula drängte: »Hopp, Kinder, Laufschritt, bitte, wenn’s geht, der Aufzug läuft warm!«
    Schweigend, schwer atmend, angestrengt legte man die letzten paar Meter zur Schwelle vorm Sanctum Sanctorum zurück. Cordula wischte ihr kleines magnetisches Schlüsselgerät am Schloß vor dem Dunklen vorbei. Todernste Türen aus rabenschwarzem Holz glitten beiseite. Dann führte die Chefin ihre Leute in die Mitte des kreisrunden Anbaus. Dort, unter einer Kuppel, die höher schien als das Dach der Welt, leuchtete heuschreckengrün ein Dilatonfeld, dessen Konfiguration in der Raumzeit die Bedingung der durchschnittlichen Nullenergie für Kleinregionen dieser Art obszön verletzte: der Rand des Mundes einer Einstein-Rosen-Brücke, axialsymmetrisch rotierendes Tor nach woanders.
    »Also, meine Lieben, rein da«, ermunterte Cordula die Erschöpften.
    »Was denn, wohin?« ächzte Judith.
    Jenny schlug die Augen auf und sagte laut und deutlich: »Sie meint halt, daß ich in der Schwerelosigkeit schneller wieder auf den Damm komme … und das ist … wichtig, denn dann …«
    »Kann ich dir ein Loch in den Bauch fragen, wegen gewisser Minidiscs«, beendete Cordula den Satz.
    Andy furchte die Stirn: »Schwerelosigkeit? Du meinst, das andere Ende von dem Ding da spuckt uns im äh Weltraum aus?«
    Am andern Ende der Halle, die sie durchquert hatten, schlug etwas dumpf und dröhnend gegen etwas anderes.
    Cordula verlor die Geduld: »Also, braucht ihr jetzt jeder noch ’ne Extra-Einladung?«

ZWEIUNDVIERZIGSTES KAPITEL
    Was man sagt • Dann war Dieter dran • Am selben Abend
    1  Das Projekt schleppte sich recht lange vergleichsweise ereignislos dahin, bevor es zu einer ersten Sichtung des gesammelten Materials kam. Die fand, in Form eines Symposiums, fünf Jahre nach Ankunft der Neusiedler in der nordwestlichen Hauptstadt des Bezirks Grand’Anse namens Jérémie statt und war sehr gut besucht: Dreihundertvierzig der führenden Köpfe unter den Neusiedlern fanden sich ein.
    Die Proceedings wurden vom inzwischen eingerichteten inselweiten Fernsehen in alle angeschlossenen Haushalte übertragen und sollten später in einem Buch / DVD -Protokoll zusammengefaßt werden. Neben Jacques und Jürgen selbst sollten dreißig weitere Referenten ihre Forschungsergebnisse vortragen, darunter auch Dieter Fuchs, dessen

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