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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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Dimensionen, die …
    F: Du weißt also als eine der ganz wenigen, wie es vor der, ähm, dieser gesamtgesellschaftlichen Amnesie war.
    J: Ja. Deshalb will ich, daß wir das aufzeichnen. Auf den Discs.
    F: Weil du glaubst, vielleicht die einzige …
    J: Nö, die einzige nicht. Das isses ja: Ich weiß, daß ich nicht allein bin, aber die … na ja, die Hände, in denen das Wissen sonst noch liegt, sind wieder mal durchgängig bloß die falschen.
    F: Du meinst, es gibt Leute, die es auch noch wissen, sich auch noch an öh deine GPI erinnern und so, die aber …
    J: … eine sehr eigenwillige und ungesunde Vorstellung davon haben, was die Parteilinie ist. Andere sind tot, und wieder andere, die allmählich wirklich in die Gänge kommen sollten, könnten das alles sehr gut gebrauchen, was ich weiß.
    F: Um was genau damit zu tun?
    J: Na ja, wie immer, das Schlimmste verhüten, alles zum Guten wenden und so.
    F: Laß die Waffen, letzter Held / aus den letzten Händen. / Die Geschicke dieser Welt / sind nicht mehr zu wenden.
    J: Wo haste denn den Scheiß her?
    F: Rudolf Borchardt. He, ich bin Literat, weißte? Buchhändler!
    J: By golly, das bist du.

DREIUNDVIERZIGSTES KAPITEL
Achthunderteinundfünfzigster Tag
    Ich bin hinuntergegangen in den Garten, in dem Simon und John mit ihren Soldaten aus Plastik spielen, zu den Balsambeeten, auf daß ich weide in den Gärten und Lilien pflücke. Bei Nacht leuchtet unser Mandelbaum, eine stille Flamme, jedenfalls nicht lauter als das ewige Feuer auf dem Grab von Elvis Presley – also auffällig genug. Wir haben mehr Sterne da oben, als wir gebrauchen können. Karin: ein Schatten, der sogar duftet. So kam sie wieder zu mir, diesmal auf Absprache, denn ich habe ihr ein Zettelchen zugesteckt, nach dem Abendessen, als Skriba mit dem Gast in seinen Keller verschwand, drei Stunden lang, und die Leibwächter Echnatons und die Leibwächter Rosenzweigs auf der Luke zurückbleiben mußten, die einander so lange feindselig lauernd fixierten, bis ihre Herren wiederkamen.
    Hier duckten wir uns im Dunkeln neben dem Zaun wie die Hasen, und ich schob ihr T-Shirt hoch und leckte ihre rechte Brust ab, so daß sie lachen mußte, lutschte da auch ein bißchen, und sie fuhr mir durchs Haar, alles Leben ist ein Rascheln.
    Meine Finger in Karins Mund, mehr Lutschen. Ich sagte, nicht lauter als der verschämte Wind um uns: »Deine Augen sind wie Tauben­augen hinter deinem Schleier, dein Haar ist wie eine Herde Ziegen, die herabsteigen vom Gebirge Gilead.« Und sie sagte: »Manchmal redest du einfach nur so vor dich hin, hm?«
    Unsere Party im Dunkeln war kurz, und wir mußten dabei auch von Politik reden, während es köstlich, aber zu stark, nach Orangen roch. Jim hat ihr gesteckt, daß Skriba jetzt auf die Überwachung potentiell unzuverlässiger Leute in unserer Truppe verfallen ist, zu besorgen durch Jamal und ihn, irgendwas von Funksprüchen, die nicht autorisiert waren. Als sie sagte: »Das ist ein guter Spielplatz hier«, dachte ich an Valerie, wegen »Spielplatz«, und erschrak. Eine Welt weit weg: Was ich war.
    Der Besuch, sagt Skriba, sagt Jim, sagt Karin, soll noch zwei Tage bleiben.

Achthundertzweiundfünfzigster Tag
    Ohne meinen lieben Minidiscplayer, aber immerhin: teilnehmen darf ich an den Sitzungen im Situation Room, und alles aufschreiben, was nicht deinem ausdrücklichen Hinweis gemäß off the record gesagt worden ist. Kein Grund bleibt übrig, mein marxistisches Vokabular weiter hinterm Horeb zu halten: Die ganze Scheiße, in der wir waten, ergibt sich offenbar daraus, daß, heilige Dialektik, a) es nicht gelungen ist, die Produktionsverhältnisse umzukrempeln, als es immer nötiger wurde (= Niederlage des Weltsozialismus), weil zur selben Zeit b) die Pro duktivkräfte wieder mal einen Riesensatz nach vorne gemacht hatten (= »Informationszeitalter«, wir können da auch die Biotech-Umwälzungen mit hineinnehmen, denn ohne die immensen Rechenleistungen der neuen Maschinen wäre z.B. das Humangenomprojekt erheblich langsamer zum Erfolg geführt worden als mit).
    Die alten Produktionsverhältnisse bequemten sich den Ergebnissen dieses Riesensatzes nur unter großen Opfern (= Schumpetersche »Innovationskrise« mit wetterleuchtendem Erkennbarwerden der immanenten Systemgrenze des Kapitalismus überhaupt) an.
    Das war die volatile Grundstimmung, aus welcher heraus der To tentanz explodieren konnte. Unser Echnaton war ganz schön avant in dieser Sache, hatte schon zu der Zeit, da er

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