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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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aus dem Land jagen, wo immer sie sich noch ein Pöstchen warm gehalten haben?

18. Kislew, siebtes Feldzugsjahr
    Karin hat sich wieder verschlechtert, ist fast so apathisch wie vor Jamals, Barakehs und Tibis Besuch.
    Redet wieder kaum noch, und wenn, dann unverständliches Zeug, steht nachts auf, stellt sich an die Wand, dämmert, verfällt in repetitive Bewegungen. Ich werde sie diesmal hier zurücklassen, wenn ich an die Front – eine unserer vielen Fronten – gehe.

21. Kislew, siebtes Feldzugsjahr
    Hier gefällt’s mir: diese dummen Felsbrocken, wie Meteoriten, auf dem Abhang, der mich an die Matten im Wiesental erinnert. Da liegen sie, westliche Seite bemoost, große Dracheneier, rauh und porös, aber fest und schwer, vom Himmel gefallen. Fußbälle für die Nephilim, yeah, in jenen Tagen wandelten Riesen auf der Erde, die Helden der Vorzeit, die hochberühmten.
    Nach der täglichen Sauerei haben wir uns draufgesetzt, auf diese Felsen, und geraucht und gesoffen, während die Briganten Schilder aufgestellt haben: Befreites Gebiet – Ausgangssperren beachten – Zombies melden – Revier neun. Dann wurden die Posten eingeteilt, und ich dachte wieder: Wäre ich damals der gewesen, der ich jetzt bin, in Berlin, dann wäre ich hier nicht hergekommen, denn dann wär’s anders ausgegangen auf dem regennassen Spielplatz. Ich weiß nicht mehr, wie viele Zombies Valeries Eltern dabeihatten, aber es gibt bestimmt Tage, an denen ich mehr erschossen habe – ich alleine, von den Soldaten abgesehen, ich meine wirklich: Ich, mit meinen zwei Pistolen. Respektieren sie das, oder das Gerücht, oder die Glyphen, die für mich sprechen, wenn ich den Mund aufmache? Mini-Moses all up in arms, und mein Aaron, also Jamal, sitzt in Nazareth und in Ramallah und führt seine kleinen Provinzgeschäfte, aber nee, das ist unfair: Es besteht kein Anlaß, sich drüber lustig zu machen. Und diese farben-frohen Erzählungen, von wegen, er übe krassesten Nepotismus und sei korrupt geworden, sind wahrscheinlich wirklich syrische Propaganda.
    Wir haben fast das ganze Land, aus dem diese Propaganda kommt, jetzt annektiert, und einiges von dem, was unsere Zeitungen schreiben, klingt ein bißchen danach, als könnten wir uns, weil Syrien unter zombotischer Mißregierung ziemlich entvölkert wurde, breit zombisiert, schon auf Lebensraum freuen. Vor allem die Araber sind ganz wild drauf, während bei unseren postzionistischen jüdischen Kumpels eine gewisse Reserviertheit herrscht, »schlechte Siedlungserfahrungen«, witzelt Tepper.
    Philip würde meinen Kopf fordern, oder lachen, wenn er das Wort »Lebensraum« hier lesen könnte, aber so geht eben mein Humor. Spielt eh keine Rolle, Naziwitze oder nicht, denn wir tun mehr Gutes als Schlechtes, das muß sogar ich einsehen. Es stinkt aber: dieser Beruf, dieses Handwerk des Ausputzens und Abschlachtens. Und was trinken wir, während wir auf unseren Felsen hocken? Coca-Cola. Der Imperialismus wird die Imperien überleben: Das hätte damals einer schreiben sollen, dann würde es jetzt stimmen.
    Ich bin mein Kostüm: die Fliegerweste vom legendären Kampf ums Camp auf dem Golan, der Helm, die Pistolen und Gewehre und ­Stiefel. Old Shatterhand. Winnetou Klatt ist derzeit in Washington, die große Pharaonin hat uns erstmals o ffizi ell Waffenbruderschaft angeboten und fürchtet sich, so raunt man, ein bißchen vor Frau Eisins raschem Machtzuwachs.
    NATO -West soll schon ganz eifersüchtig sein – hier denken wir uns jetzt NATO -West als Person, so ein Windhund wie früher diese Wörners und Solanas, ein schneidiger, trockenpflaumengesichtiger, abge­härmter Typ, der aussieht wie wir alten Genossen, ein Mitnadev der ersten Stunden, eine Frontsau, ein bleicher Reiter unter fremder Sonne, der gerne mit uns konkurrieren würde.
    Und unsere Leute spüren es selber, daß wir hier schneller, mit größeren Schritten, zur Vor-Totentanz-Zivilisation zurückkehren als irgendwo anders auf der Welt, und bilden sich unangemessen viel drauf ein.
    Neue Sprüche auf den T-Shirts der einfachen Trooper: First we take Jerusalem, then we take Berlin.
    Ich weiß nicht recht. Ich war dort, ich würd’s nicht geschenkt haben wollen.

6. Tewet, siebtes Feldzugsjahr
    Das meiste ist dann doch gelogen: Isaac von den Internationalen Brigaden – wirklich, wie in Spanien, das hätte Peter Weiss gefallen –, der aus Paisley in Schottland stammt, bringt uns ein TIME Magazine mit, darin freundliche Äußerungen der beiden

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