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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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aufkam«, belehre ich den Mann mit der behaarten Stirn, der vor mir sitzt, und seine roten Augen zwinkern.
    Dann fährt er fort: Die Isawiyya sind die Anhänger und Nachfolger eines Fakirs und Mystikers aus dem sechzehnten Jahrhundert namens Skeih Abu Abd Allah Sidi Muhammed ben Isa as-Sofiani al Mukhteari, genannt Ibn Isa. Sie schwören, Gott mehr zu lieben als alles andere, seine Feinde zu bekämpfen, wo immer sie welche treffen – in Jerusalem, zum Beispiel –, und, jetzt kommt’s: den Namen eines Tiers anzunehmen, jedenfalls beim Gottesdienst, samt Tiermaske. Sieben Viecher standen ursprünglich zur Wahl: Kamel, Katze, Hund, Panther, Schakal, Eber oder Löwe. Der Wolf ist erst neuerdings dazugekommen.
    Ibn Isa war in der Lage, mit allen lebenden Geschöpfen zu kommunizieren, sein Name bedeutet »Sohn des Esau«, und Esau war ja bekanntlich »der Haarige«, der sein Erbteil an Isaak verkauft hat – sie dachten also, und denken das noch, wir gewöhnlichen Menschen seien Jakobs, sie aber Esaus Leute.
    Immerhin: Wir sind verwandt, unser Vater ist der Bruder ihres Vaters, schaltet sich hier Herr Barakeh ein, aber Jamal winkt ab. Ibn Isa hat geschrieben: »Menschen und Dschinn sind mir ergeben, auch giftige Reptilien und die wilden Tiere der Wüste.«
    Die Isawiyya, sagt Tibi, kämpfen, Ehrensache, wie die Teufel, so kommt es, daß Jerusalem …
    »Aeryn«, sagt Karin in diesem Moment, laut und vernehmlich.
    Sie hat sich aufrecht hingesetzt, und guckt Herrn Tibi an. »Aeryn ist in Jerusalem. Meine Tochter.«
    Jamal hustet verlegen, Tibi und Barakeh sind erstaunt. Ich gebe Jamal ein Zeichen, er nimmt seine Freunde mit nach draußen. Ich knie vor Karin und lege meine Hände auf ihre Oberschenkel, sie schaut mich an, wach wie seit Jahren nicht, und sagt noch mal »Aeryn«.
    Ich verspreche ihr stammelnd, auf einmal voller absurder Hoffnung, daß wir das Mädchen rausholen und finden werden, daß uns diese Isawiyya dabei helfen können, daß wir sie ihr wiederbringen, und Karin streichelt meinen Kopf. Ich setzte mich zu ihr aufs Sofa, küsse sie, sie küßt mich auch. Dann wird sie, während wir immer nur wenige Worte sprechen, bald sehr müde.
    Ich bringe sie ins Bett und schreibe das hier auf und weine.

26. Tamus, sechstes Feldzugsjahr
    Haben die Typen das auch immer gedacht, auf der Kremlmauer, diese alten Krokodilsgesichter, nach dem Zweiten Weltkrieg, wenn sie Paraden abgenommen haben: Was mache ich eigentlich hier? Bequem ist das nicht, stundenlang hochdekoriert, stier und stumpf da oben rumzustehen, auf diesem Balkon, und die zeigen ihr Zeug her, unsere Leute, und der frischgebackene Palästinenserpräsident Jamal Ibn Muhammad steht neben mir und kratzt sich dauernd am Handgelenk, unterhalb der Brüstung, wo’s keiner sieht.
    Philips endlose Oratorenscheiße – Rienzi, der letzte Volkstribun. Er ist mein Freund, aber die Show bringt mich um. Ehrlich: Ich habe mir den Arsch weggelangweilt, und abends konnten wir uns in den Fernsehnachrichten anschauen. Karin bettet ihren Kopf auf meine Schulter, und auf einmal sagt sie: »Robert, da stehst du jetzt.« Ich hatte nicht aufgepaßt: War ich wirklich grad auf dem Schirm zu sehen gewesen? Danach war sie dann wieder schläfrig. Die kleinen Grausamkeiten: Immer wieder knospt Hoffnung, nur um zu Staub zu zerfallen.
    Drei Viertel des alten Staats Israel sind unter unserer oder Generalin Eisins direkter Kontrolle.

10. Kislew, siebtes Feldzugsjahr
    Iyaris alte Sachen durchgesehen, die Heeresleitung baut ein Mitnadev-Archiv auf. Auf einem Zettel hat sie ein Zitat von einer »Ana Miranda« mit sich rumgetragen, vielleicht eine Verwandte, folgendermaßen:
    »Esto es el mundo, esto soy yo, Me gusta mirar por la ventana de mi misma, Voy a vestirme con un rebozo, ellos mucho frío en el cabello, Encienda mi cigarillo, medianoche, ellos miraban a reloj, miraban a la mesa, los platos limpios, tenedores, dos cálices, dos de la manana (mit ~), dos tazas hembras emborrachadas con vino del cuerpo de la mujer, ellos se fueron creyendo que no hubo ninguna cena, se me olvidó decirles que la cena era yo.« Wenn ich mal wen finde, der mir das übersetzt, schreibe ich es deutsch hier rein.
    Ansonsten gibt es zuviel zu berichten, als daß es Sinn hätte, damit anzufangen.
    Mehr junge Mädchen. Ich denke vorher immer vage, jetzt wird was nachgeholt, und danach: Was bin ich eigentlich anderes, ich, der Golem Fickscheiße, als diese Zombies, die wir vernichten, und die Zombotiker, die wir

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