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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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einen Aufstand niederschlagen geholfen – es ist nämlich nicht so, daß es den Menschen überall besser gefällt, wieder von ihresgleichen beherrscht zu werden statt von den Toten.

14. Adar, viertes Feldzugsjahr
    Miß Rosenberg wiedergesehen, an Philips Seite in Haifa. Sie hatte eine Schwarze aus Deutschland dabei, »Lena Dieringshofen«. Lena, ich habe es nachgelesen, ist der Messias, von dem unsere scheintote Mumie damals im Keller gesprochen hat.
    Sieht nach nicht viel aus, ist Mathematikerin. Mag mich nicht, glaube ich.
    Ich betrinke mich, randaliere am Pool, zwei meiner Leute bringen mich verständnisvoll aufs Zimmer, it’s just this terrible war, folks. Ich glaube, ich könnte überhaupt nichts machen, was es ihnen verunmöglicht, auf meine Befehle zu hören. Ich bin jetzt Generalmajor. Wenn ich noch zwei Jahre in der Nase bohre, während Hunderttausende sterben, werde ich kosmischer Admiral, danach mit Gleitcreme gesalbter Gottkanzler und endlich Oberhemd des goldenen Davidssterns am Band von ganz Kapuzinien.
    Es ist alles so total lächerlich, das glaubt man nicht.

25. Ijar, viertes Feldzugsjahr
    Der Siedler, hört man, schwört nun auch auf Eisin. Er hält sich in Amerika auf, dort gehen jetzt fabrikmäßig Bajonette vom Fließband. Außerdem soll Eisin das Abkommen mit Philip gebrochen haben, sich nicht am Solanumhandel zu beteiligen: Sie hat Pläne, für ihren neuen Staat, und so was braucht Geld.

8. Nissan, sechstes Feldzugsjahr
    Zurück am See Genezareth, auf Urlaub. Simon – ah, Fickscheiße: Schimon – und seine Reiterfreunde aus der Wüste. Sie haben Haare im Gesicht, auf den Wangen, auch die Frauen, und unglaubliche Eckzähne. Trotzdem sind sie die ersten attraktiven, fröhlichen Leute, die ich seit Monaten gesehen habe, diese W. Simon wünscht sich, er wäre einer von ihnen.
    Seine Mutter findet er »creepy«. Gestern entdeckten wir sie angezogen in der Badewanne, sie hielt sich den Duschstab übern Kopf, war klatschnaß, wir mußten sie mit sanfter Gewalt rauslupfen und zum Bett bringen, haben sie ausgezogen, als wären wir ihre Pfleger oder Brüder, haben sie abgetrocknet, neu eingekleidet, ab und zu hat sie leise gelacht, und ich mußte an Nietzsche denken und Hölderlin und die alte Frage: Waren die wirklich beknackt, oder hatten sie einfach keine Lust mehr auf gewöhnliche Gesellschaft? Sieht man so vielleicht aus, und führt sich so auf, wenn man das Bedürfnis nach Umgang mit den Leuten fallen gelassen hat, als was Überflüssiges, das einem auch nicht weiterhilft? Ich hielt sie dann im Arm, wie sie trocken war und angezogen.
    Hab was gesummt, und sie hat vielleicht mitgesummt, ich kann’s mir auch nur eingebildet haben, aber Schimon war längst weg in dem Moment, und die Medics wollte ich nicht da haben, mußten sich abweisen lassen, an der Tür, von meinen und Karins Leibwächtern. Was oder wer hier genau krank ist: Das wüßt’ ich gern.
    Jamal heiratet morgen Nicole. Ich schenke ihm ein Gewehr, das die W-Nomaden gemacht haben.

9. Nissan, sechstes Feldzugsjahr
    Was Großes, Beängstigendes ist passiert.
    Jamal kommt auf mein Zimmer und stellt mir zwei seiner Hochzeitsgäste vor, Mohammad Barakeh und W Ahmed Tibi, früher ­ara­bisch­israelische Knessetmitglieder, aktiv für die Rechte ihrer Minderheit, und der W sagt: Wenn die Menschen die verbleibenden Städte in Totenhänden, also Jerusalem, New York, Berlin, Marseille und so weiter, nicht nehmen, dann werden die W sie kassieren.
    »Obwohl wir für Städte eigentlich keine Verwendung haben – wir suchen, jedenfalls im von Ihnen so genannten Nahen Osten, das freie Land, die Wüstenflächen, anderswo Wälder und Gebirge. Ihr Lebensstil ist nicht unserer. Aber wir hassen die Toten, die sich nicht hinlegen, wie sie sollen.«
    Da lacht Karin, die ansonsten auf dem eierlikörfarbenen Sofa liegt, mit neu gemachten Haaren, und fernsieht, hauptsächlich Cartoons. Barakeh und Tibi glauben, Karin würde Tibi auslachen. Jamal und ich beruhigen sie, und dann erzählt mir Tibi, was in Jerusalem los ist: Der arabische Teil gehört bereits zu einem Drittel den W, die dort, und das ist neu, offenbar so richtig organisiert vorgehen – die meisten gehören, wenn ich es richtig verstanden habe, einer islamischen Sekte an, den »Isawiyya«, die aus dem Sudan oder Nordafrika zu kommen scheinen. Der Kult soll schon existiert haben, bevor es die W gab – »Obwohl die W natürlich älter sind als ihr moderner Name, der erst nach dem Totentanz

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