Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
Vom Netzwerk:
Ozonschicht, radioaktives Material, Pyrotoxine, Fallout aller Art: Mit was für Auswirkungen war in welchem Ausmaß zu rechnen?
    Viel Zeit, das zu erraten, anstatt es einfach zu ermitteln, blieb den Forschern, wie sie wußten, jetzt nicht mehr.
    9  Lena sah zitternd, mit trockenem Hals und entsetzt, runter auf ihre schönen Hände und sagte: »Oh Mann. Oh Mann. Oh nein, oh Gott, diese Idioten, sie haben es wirklich gemacht, diese Spatzenhirne.«
    Gleichzeitig aber, ohne daß sie gefragt worden wäre, ob ihr das recht war, wiederholte sich vor ihren Augen, auf dem Papier, das sie den ganzen Morgen mit Zeichen vollgemalt hatte, die Geschichte der Vernunft, von der sie nichts wußte, weil ihre Arbeit nicht Geschichte und Zufall aus dem Webwerk hob, sondern Wahrheit und Notwendigkeit.
    Schon einmal, im Jahr 1945, an dessen 6. und 8. August jene Sorte Waffen, die jetzt da draußen vor Lenas Fenster, wenige Fußmarsch-Tagesreisen entfernt, das erste Mal große menschenmordende Lichtorgel spielte, das erste Mal den Gang der Geschichte verändert und eine neue Ära geboren hatte, die mit dem Totentanz zu Ende gegangen war, hatten ein paar ungewöhnliche Leute ein paar ungewöhnlich gute Ideen gehabt.

    Seltsame statistische Korrelation: Während Menschen einander umbringen mit ihren besten Waffen, geht die Wissenschaft von der intellektuellen Schönheit denkbarer Handlungen oft weiter als vorher, in ruhigen Zeiten. So war damals Jacobson die Theorie einfach assoziativer und nichtassoziativer Ringe eingefallen, von Neumann hatte erste Computerideen entwickelt, Ito stochastische Integrale erforscht, Weil saß an den neuen Grundlagen algebraischer Geometrie, und Samuel Eilenberg und Saunders Mac-Lane kamen auf den Gedanken, die mathematische Sprache der Kategorien und Funktoren zu erfinden. Diesmal, während wenige Fußmarsch-Tagesreisen weit weg bei einem Studenten, der eben Eilenbergs und Mac-Lanes Arbeit von 1945 las, der venöse Rückstrom zum Herzen stockte, Lymphknoten platzten und es in der Brust anfing zu brodeln, verstand Lena Dieringshofen, daß jenes Teil Wahrheit, das ihr bisher schon zugänglich gewesen war, sich zum Licht der soeben neu aufscheinenden Erkenntnisse verhielt wie Mondeslächeln und Kometenschein zu …
    »Oh Mann. Oh Scheiße«, sprach aus Lena die Angst, daß die Hand das alles nicht schnell genug notieren konnte, aber es ordnete sich unabhängig von aller Angst im Kopf und dem wenige Fußmarsch-Tagesreisen entfernten Schrecken, es klickte, es rastete ein, universale Pfeile wiesen aufeinander, Adjunktionen fielen wie Dominosteine.
    »Ich bin« wurde, was es immer schon gewesen war: ein Isomorphismus, ganz wie Gott versucht hatte, Moses das zu erklären, ein brennender Dornbusch. Selbstheilung vor den Flammen, Selbstabbildung, jeder Verweis auf sich selber dasselbe, woanders Menschen wie Zunder zu Schatten von gar nichts verbrannt, in Platos Höhle Lena Dieringshofen, warum, das sind so Fragen, die kein Mensch braucht, was einst dem Tag gehört, verglomm, warum Furcht, Traum, Geburt und Tod das Licht der Erde so bedroht mit Dunkel, warum soviel Raum der Mensch für Lieb und Haß, Zagen, Vertraun warum was ach so natürlich eins dem andern eins ins andere alles sinnvoll zweckmäßig vernünftig Kausalität ist der Mörtel des Universums Bernsteinik tu’s doch mach doch mach es endlich sofort hier und dann und dann ach so ach so geht das ganz einfach unglaublich so einfach so einfach ist alles.
    10  Der dicke ungesunde Mann griff in die Chipstüte und erschrak: Die Erde, verkehrt: Der Boden unterm Beton hatte grad gezittert, die Wände bebten nach. War das der liebe Gott gewesen? Nahm der es übel, daß der dicke Mann den gesalzenen Kartoffeldreck mit solcher Wonne in sich reinschob, kam jetzt das Strafgericht?
    »Sperr den Mund zu, das sieht ja scheußlich aus mit dem Chipsmatsch drin«, schimpfte Rumsfeld und zog den Kordelgürtel um den Kimonobauch enger.
    Der dicke Mann, der Präsident gewesen war, sagte ängstlich: »Es hört nicht auf, spürst du das? Es rumort.«
    »Wird dein Magen sein«, spottete Cheney, und Rumsfeld hob die knochige Hand. »Moment, da ist wirklich was … da zittert …«
    Das Grollen schwoll an. Es klang wie ein riesiger hölzerner Wagen auf unebenen Pflastersteinen, tief auf die eigene Achse hinuntergedrückt, schwer und brockenreich, immer breiter, voller. George W. Bush schloß den Mund, kaute und ängstigte sich.
    Die drei Männer wechselten Blicke. Schön waren

Weitere Kostenlose Bücher