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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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viertausend Grad Celsius konnten mit ihrer Rage übertönen, was die Musikantin sprach.
    5  Wir betreten feuertrunken, Himmlische, dein Heiligtum.
    6  Neue Augenverletzungen, verbrennende Augenhintergründe, kleine ontische Löcher im Adiaphanen, blinde Stellen mitten im Gesichtsfeld, Verbrennungen dritten Grades am Hals, Blasen auf der Hand, wie ­Pizza­kä­se. Das Herz der Präsidentin schlug nicht mehr, der letzte Gedanke, den sie gedacht hatte, war übrigens eine fromme und glückliche Vision vom großen Erfolg gewesen: Um alle Lebendigen ein aufwallendes, mit gelbem, rotem, grünem Feuerschein untermischtes Meer, und die Sieger über die Wölfin und über ihr Bild und über die Zahl ihres Namens standen auf dem gläsernen Meer und hatten Harfen zum Preis Gottes, der Tempel, das heilige Zelt im Himmel, wurde geöffnet, und die sieben Engel, welche die sieben Plagen hatten, kamen heraus aus dem Tempel, bekleidet mit reinem, glänzendem Linnen und die Brust umgürtet mit goldenen Gürteln, und eins von den vier Wesen gab den sieben Engeln sieben goldene Schalen voll des Zornes Gottes, der in alle Ewigkeit lebt, und der Tempel wurde voll Rauch von der Herrlichkeit Gottes und von seiner Macht, und niemand konnte in den Tempel hineingehen, bis die sieben Plagen der sieben Engel vollendet waren.
    Das weiße Moos fing an zu glühen auf der Erde, die Hundsrose ging in Flammen auf, der Moschusbock-Käfer an der Rinde zischte vor Hitze und verkohlte in seinem Panzer, der Schwarzmilan fiel qualmend vom
    Himmel wie ein schmaler schöner Scheit, das Wildkaninchen wurde im Sprung auf die Erde gedrückt und von Kraft durchs Holz geschmissen, gekocht im Pelz, wie der Zaunkönig und der Grünspecht auf den Zweigen gegrillt wurden und der Laubfrosch platzte, wie der Salamander als schwarzer Fleck in den Stein geätzt wurde, auf dem er in der Sonne gelegen hatte, wie der Briefträger am Postkasten stehenblieb und wie sich seine Knochen anfühlten, als wären sie heißes Eisen, bevor er starb.

    7  Lena Dieringshofen, wie so oft in ihrem Leben von wohlmeinenden Profiteuren ihres Könnens und Wissens an einen sichern Ort verbracht, sah durch gedämpfte Scheiben hinaus, als sich der Horizont erhellte, und wußte sofort: Ich bin weit weg vom Ground Zero. Der nächstgelegene Einschlagsort lag tatsächlich vier Fußmarsch-Tagesreisen weit weg, und doch sah sie das Licht, und hatte, heureka, als wäre Licht hier nicht die dümmste und gemeinste erreichbare Metapher, einen sehr guten Einfall, den besten ihres Lebens, alles war eins, war Handlung, ein Weberschiffchen, und der Cherub stand vor Gott.
    8  Unter den Wissenschaftlern, die mit dem Zustand der Erde befaßt waren, verdrängten die Besorgnisse, die sich aus den laufenden Ereignissen ergaben, im Augenblick des Einschlags der ersten SHARP -Projektile alle Ängste bezüglich der mittelfristigen Vorgänge in den arktischen und antarktischen Regionen, jeden Gedanken an den Treibhauseffekt und alle Überlegungen betreffend zukünftige ­Roh­ stoff­engpässe. Augenblicklich erinnerte man sich unter informierten Leuten an die Hypothese vom sogenannten »Nuklearen Winter«. Mit dieser griffigen Formel war ein halbes Jahrhundert zuvor die Annahme bezeichnet worden, daß Rauch und Staub, den atomare Explosionen freisetzen, die Sonnenstrahlen daran hindern würden, weite Gebiete der ­Erd­ober­fläche zu erhellen, wie dies zuvor in sehr viel kleinerem Umfang gelegentlich bereits Waldbrände oder Vulkanausbrüche vollbracht hatten. Man ging davon aus, daß in der vom nuklearen Kriegsgeschehen über die Welt verhängten Dunkelheit die Temperaturen auf der ­Erd­ober­flä­che rasch drastisch fallen würden, in manchen Gegenden weit unter den Gefrierpunkt. Der photosynthetische Pflanzenstoffwechsel, von dem letztlich das Wohlergehen alles Lebendigen auf dem Planeten abhing, würde in unmittelbarer Folge deutlich eingeschränkt und für eine Weile völlig aufgehoben werden, auf dem Land, im Meer, im Süßwasser. Empfindliche Pflanzen und Tiere an Land würde das sofort umbringen. Ernten würden daher bis auf weiteres ausfallen, die Nahrungsmittelversorgung der Menschheit müßte so abreißen. Menschen, welche die unmittelbaren Effekte der Einschläge von Atomwaffen überleben sollten, würden daher mit bitterer Kälte, Finsternis und Nahrungsmittelknappheit zurechtkommen müssen. Wie viele Monate, Jahre?
    Rauch in der Troposphäre, Staub in der Stratosphäre, eine zerstörte

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