Für immer tot
einfach aus der Tasche der alten Frau genommen hatte. Er war hinter ihr am Kiosk gestanden, er hatte es gesehen, das Telefon, es war einfach dagelegen, er hatte es nur nehmen müssen. Schnell hatte er sich umgedreht, war weggegangen, dann hatte er den Notruf gewählt. Das fremde Telefon in seiner Hand, er hatte telefoniert, so wie hunderte andere am Flughafen auch, mit verstellter Stimme hatte er ihnen von der Bombe erzählt. Kurz und sachlich, Flugnummer und Airline. Dann hatte er das Telefon unbeobachtet in einen Papierkorb geworfen, war seelenruhig durch den Duty-Free-Shop gewandert und hatte Wein gekauft. Nichts würde ihnen passieren. Nichts würde den Passagieren passieren, da war keine Bombe.
Er überzeugte Max, sitzen zu bleiben, er drückte ihm die Flasche in die Hand, beruhigte ihn, er sagte, er solle einfach nur zuschauen, trinken, still sein.
Wie Polizisten in die Maschine stürzten, wie die Anzeigetafeln blinkten, sich Abflüge verspäteten, Flüge gestrichen wurden, wie Menschen ungeduldig fluchten, neugierig schauten, wortlos Angst hatten vor den vielen Uniformen. Wie sie nervös waren überall rund um Max und Baroni, wie sie mutmaßten, verzweifelt versuchten, von den Flughafenmitarbeiterinnen Informationen zu bekommen. Doch niemand sagte etwas. Ohne Erklärung blinkten die Anzeigetafeln, blieben die Türen zu den Ausgängen versperrt. Max und Baroni schauten zu.
Sie blieben, wo sie waren, und warteten, bis die Passagiere zurück ins Flughafengebäude gebracht werden würden. Was sie zu sehen bekamen, war spektakulär, die zusammenbrechende Welt um sie war beeindruckend laut und hektisch, und sie lenkte Max wunderbar ab. Von den Gedanken an ihre kalte Haut. Von Tilda.
Es gab plötzlich wieder Hoffnung. Man würde die Passagiere zurück ins Flughafengebäude bringen, irgendwohin in einen Transferraum, sie würden Vinzenz wiederfinden, sie würden ihn zum Reden bringen. Aber nichts passierte, das Flugzeug blieb, wo es war, in Sichtweite von Max und Baroni. Sie waren sprungbereit, ihre Augen klebten an den verschlossenen Flugzeugtüren. Nichts rührte sich. Niemand kam heraus, die Passagiere blieben an Board, von Vinzenz war nichts zu sehen. Nur Polizisten am Rollfeld, Maschinengewehre, Sondereinheiten, Schutzkleidung.
Wir sollten noch eine Flasche trinken, sagte Max.
Ist gut, sagte Baroni und verschwand im Duty-Free-Shop.
Dass er das für ihn getan hatte, berührte Max. Dass der verrückte Kerl ein Handy gestohlen und mit einer Bombe gedroht hatte. Ihm war nichts anderes übriggeblieben, hatte Baroni gesagt und gelacht.
Max wusste, dass er helfen wollte, dass er Max nie im Stich lassen würde. Dass Baroni wusste, wie es in ihm aussah, dass da nur noch Einzelteile waren. Dass nichts mehr an seinem Platz lag. Baroni wollte helfen. Um jeden Preis. Wie dankbar ihm Max dafür war. Dass er immer noch da war, dass er nicht zurück ins Dorf gefahren war, dass er bei ihm war. Baroni, sein Freund. Baroni, der bereit war, Flugzeuge vom Himmel zu holen. Wie Max ihn anschaute. Wie Baroni mit der Flasche in der Hand zurückkam, auf ihn zuging. Wie freundlich sein Gesicht war, wie zuversichtlich, wie sehr es sich wünschte, dass es Max gut ging, besser, dass es wieder so werden würde, wie es davor gewesen war.
Danke, sagte Max.
– Das musst du nicht sagen.
– Doch, muss ich.
– Ich hoffe nur, sie lassen den kleinen Dreckskerl jetzt dann endlich aus der Maschine.
– Du bist mein Held, Baroni.
– Das ist schön.
– Was ist schön?
– Dass du es endlich herausgefunden hast.
– Was?
– Dass ich anders bin.
– Warum bist du anders?
– Es war nicht leicht die letzten Jahre.
– Was denn, um Gottes Willen, Baroni?
– Dass ich diese übermenschlichen Kräfte habe, weil ich ja von einem anderen Planeten komme. Es war sehr schwer für mich, nicht mit dir darüber reden zu können.
– Depp.
– Du hast gesagt, ich bin dein Held.
– Ja, bist du ja auch.
– Kannst du dir vorstellen, wie schlimm es für Clark Kent gewesen sein muss, dass er es Lana nicht sagen konnte? Dass er sein Geheimnis immer für sich behalten musste, dass er dem Menschen, den er am meisten liebte, nicht sagen konnte, was wirklich mit ihm los war?
– Baroni?
– Ja?
– Du kommst von keinem anderen Stern.
– Doch, Max. Ich wollte es dir immer schon sagen, aber ich konnte nicht.
– Du bist so ein Depp.
– Lach mich jetzt ja nicht aus, Max, es war nicht leicht, mich zu outen.
– Baroni?
– Du willst jetzt
Weitere Kostenlose Bücher