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Für immer tot

Für immer tot

Titel: Für immer tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
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sicher wissen, ob ich fliegen kann, oder ob ich den Röntgenblick habe, stimmt’s?
    – Stimmt.
    – Schön, dass du lachst.
    – Ich lache nicht.
    – Doch, tust du.
    – Hanni ist tot.
    – Und trotzdem lachst du.
    – Das macht der Wein.
    – Egal, Hauptsache, du lachst.
    – Was machen wir, wenn sie die Passagiere nicht aussteigen lassen?
    – Die werden aussteigen.
    – Und wenn nicht?
    – Dann holen wir ihn uns persönlich aus diesem Scheißflugzeug.
    – Danke, dass du das alles für mich tust.
    Baroni wehrte ab, schüttelte den Kopf, wollte nichts mehr davon hören. Sie saßen auf ihren Stühlen und warteten, sie tranken aus der Flasche und zogen Blicke auf sich. Zwei Männer, unbeeindruckt von der Tragödie. Ausgelassen, zwischen Himmel und Hölle. Sie redeten Unsinn, genossen es, die Wirklichkeit auszublenden, zu vergessen, was passiert war, zu ignorieren, was als nächstes passieren würde, was kommen musste. Schluck für Schluck versuchten sie so zu tun, als würde Tilda in ihrer Küche stehen und Hanni den Saunaofen einheizen.
    Sie versuchten es.
    Bis vor zehn Sekunden.
    Plötzlich ist alles wieder da.
    Sie springen auf, die Flasche fällt auf den Boden.
    Sie rennen. Max und Baroni, ihre Beine, ihre Augen. Direkt vor ihnen sitzt er, am anderen Ende der Halle, neben ihm ein Rucksack. Vinzenz. Wie sie rennen, wie sie über Koffer stolpern, mit Reisenden zusammenstoßen, wie sie auf ihn zu rennen, wie sie sich fragen, warum er nicht in diesem Flugzeug sitzt, warum er vor ihnen in diesem Sessel herumlümmelt. Wie sie ihm immer näher kommen. Wie er sie sieht und aufspringt. Wie auch er zu rennen beginnt.
    Drei Männer laufen, atmen wild, springen über Taschen und Beine. Das Wachpersonal wird aufmerksam, will sie höflich stoppen, aber sie laufen weiter.
    Wir müssen zu unserem Gate, schreit Baroni.
    Vinzenz, auf seinem Rücken ein Rucksack, er ist langsamer als Max und Baroni, er rennt, er stürzt eine Treppe nach unten, er kann nicht weiter, kein Ausweg, Sackgasse. Er schaut um sich, merkt, dass er nicht weiter kann, er reißt die Toilettentür auf. Fast stolpert er über einen alten Mann, er drängt sich an ihm vorbei, Baroni und Max hinter ihm, der Alte, wie er schimpft, und die Tür, wie sie zufällt. Vinzenz, wie er sich in eine Kabine rettet, wie sie nach ihm greifen, wie sich das Schloss dreht. Wie Max an der Tür rüttelt, wie Baroni die Eingangstür blockiert.
    Alles verändert sich.
    Vor fünf Minuten saßen sie noch oben und tranken Wein, kurz vergaß Max, was passiert war, alles, was er in den riesigen Fernsehern über ihren Köpfen gesehen hatte. Suchmannschaften, Paul, ein Foto von sich selbst, eines von Hanni. Von einem weiteren Unglücksfall in der Familie Broll war die Rede, sie machten keinen Halt, sie machten sich über sie her, die Journalisten brachten Hannis Tod mit der Entführung in Verbindung, doch Paul dementierte. Von Herzversagen sprachen sie, von einer Serie grausamer Schicksalsschläge, die nicht nur die Familie Broll erschütterten, sondern die ganze Nation. Wie Geier waren sie, sie kreisten über ihm, während er trank. Schluck für Schluck wurden die Stimmen leiser in seinem Kopf, die Bilder verschwammen, alles wurde weich, die Welt um ihn herum hörte kurz auf, ihn zu bedrohen, er betäubte sich, alles was weh tat.
    Warmer Wein.
    Baroni neben ihm auf dem Sessel. Wie das Lachen kurz zu Max zurückkam. Wie Polizisten über das Rollfeld liefen. Wie Baroni den Kondomautomaten von der Wand reißt und ihn unter die Türklinke klemmt. Flughafentoilette, weiße Fliesen, Pissoirs. Baroni blockiert die Tür, niemand wird sie stören, keiner wird Max abhalten, von dem, was er vorhat. Er rüttelt an der Kabinentür.
    Vinzenz rührt sich nicht von der Stelle, verzweifelt versucht er abzuwenden, was kommen muss.
    – Was wollt ihr von mir?
    – Wir wollen, dass du deinen Mund aufmachst, dass du herauskommst und einem Polizisten da draußen erzählst, wie du Wagner aus dem Gefängnis gelassen hast.
    – Was habe ich? Ihr spinnt doch.
    – Du kommst zu uns oder wir kommen zu dir.
    – Ich habe nichts damit zu tun, ich habe niemanden aus diesem beschissenen Gefängnis gelassen.
    – Wagner.
    – Blödsinn.
    – Zuerst hast du uns mit ihm allein gelassen und dann hast du ihm irgendein Türchen aufgemacht.
    – Haut ab, ihr seid ja nicht ganz dicht. Lasst die Tür in Ruhe, Hilfe.
    – Er hat meine Freundin umgebracht.
    – Ihr sollt damit aufhören.
    – Und du bist dafür

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