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Für immer tot

Für immer tot

Titel: Für immer tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
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den Löwen geweckt, ihn aufgestachelt. Für alles, was jetzt kommen wird, übernimmt er die Verantwortung. Er und Baroni.
    Sie waren sich einig, sie würden es gemeinsam zu Ende bringen. Sie würden alles genau so machen, wie Max es vorgeschlagen hat. Max sollte nach seinem Auftritt sofort zurückkommen, nach Hause fahren, hinauf in seine Wohnung gehen und auf Wagner warten. Baroni hatte Max nicht davon abgehalten, zu den Journalisten zu fahren, im Gegenteil. Er war ihm nachgerannt, nackt durch den Garten, hinauf in seine Wohnung, sie hatten alles geplant, sie hatten sich ausgemalt, was passieren sollte. Alles, was kommen sollte. Sie waren sich so sicher.
    Max parkt. Steigt aus.
    Die paar Journalisten, die ihm gefolgt sind, werden früher oder später verschwinden, sie werden merken, dass es nichts mehr zu holen gibt in dieser Nacht, sie werden abrücken. Es wird still werden rund um das Friedhofswärterhaus. Max steigt langsam die Stiegen nach oben und macht das Licht an. Wie leer seine Wohnung ist. Wie er sich auf seine Couch setzt und mit dem Warten beginnt. Allein. Zehn Minuten lang, zwanzig. Wie er sich Bier holt, wie der Dosenverschluss knackt. Kurz macht er den Fernseher an. Er trinkt. Überall sein Gesicht, überall seine Worte.
    Wie sein Finger den roten Knopf drückt.
    Max auf der Couch. Wie er ins Leere starrt.
    Die Türe hat er nicht abgesperrt, Wagner wird die Klinke nach unten drücken, bald. Er wird zu ihm kommen, irgendwie wird er den Weg zu ihm finden, an den Polizisten und Journalisten vorbei, im Dunklen, der Friedhofsmauer entlang. In zehn Minuten, in zwanzig wird er da sein. Er wird kommen und Max wird wach bleiben. Er wird nicht einschlafen, auch wenn es das Beste wäre, die einzige Möglichkeit, nicht an sie denken zu müssen. Wie ihm alles einfällt, was sie getan hat, was sie nicht getan hat. Wie er die Gedanken an sie nach unten drücken will, wie er sie wegschieben will von sich, ihr Gesicht, ihr Lachen, weil es weh tut, jeden kleinen Augenblick lang, jeder kleine Gedanke an sie. Er will es nicht. An sie denken, er will schlafen, die Augen zumachen, nichts mehr sehen, nichts, was war. Aber er kann nicht, er muss wach sein, auf ihn warten, auf Wagner. So ist der Plan, so haben sie es sich ausgedacht, warten, bis er kommt.
    Max steht auf, er geht herum, auf die Terrasse, er macht Liegestütze. Er zwingt sich, wach zu bleiben, er trinkt Kaffee, er hört Musik, er spült Geschirr, er versucht, nicht an sie zu denken. Immer wieder geht er auf die Terrasse und schaut hinüber zu Baroni.
    Wie Baroni ihm zuwinkt. Wie er la Ortega in seinem Arm hält. Max wartet. Die Müdigkeit will ihn niederschlagen, aber seine Augen bleiben offen. Nichts passiert. Die Tür geht nicht auf, Wagner bleibt weg, irgendwo verborgen. Vielleicht ist alles umsonst, vielleicht ist er bereits im Ausland, vielleicht ist es ihm egal, was der kleine, müde Totengräber der Welt über ihn gesagt hat. Tilda wird sterben und niemand kann das verhindern. Niemand. Auch er nicht.
    Max kann nicht mehr. Seine Augen fallen zu.
    Von einer Sekunde zur anderen ist es dunkel.

Zwanzig
     
    Alles kam anders.
    Nichts war so, wie Max und Baroni es sich vorgestellt hatten. Gar nichts. Die Beamten, die sich überall rund um den Kirchplatz und das Friedhofswärterhaus verschanzt hatten, saßen immer noch still an ihren Plätzen, als die Sonne aufging. Kein Zugriff, da war niemand, der Max geweckt hat, keiner, der in aus seinem Albtraum geholt hat.
    Max liegt immer noch dort, wo er eingeschlafen ist. Sein trauriger Körper auf der roten Couch, erschöpft, müde. Er ignoriert das Telefon, er lässt es läuten, seine Augen sind kurz aufgegangen, doch mit einem Stöhnen drückt er seinen Kopf tief in den Polster. Er will nichts hören, niemanden, auch nicht Baroni. Er will schlafen, für immer, nie mehr aufwachen. Nie mehr. Immer wieder das Läuten, immer wieder gehen seine Augen auf und zu. Max wälzt sich hin und her, er möchte aufstehen und das Kabel aus der Wand reißen, er will, dass es aufhört, das Läuten, Baroni.
    Als es zum sechsten Mal beginnt zu klingeln, steht er auf und hebt ab. Wortlos presst er den Hörer an sein Ohr und wartet auf Baronis Bericht. Doch es ist nicht die Stimme von seinem Freund.
    Mit einem Schlag ist Max hellwach.
    – Das hätten Sie nicht tun sollen.
    – Doch, Arschloch.
    Max drückt den roten Knopf.
    Wagners Stimme verschwindet so schnell, wie sie gekommen ist. Max wartet. Er weiß, dass es noch einmal läuten

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