Für immer tot
seine Richtung, sie halten ihm ihre Mikrofone hin.
Max schaut in die Kameras.
Sein Gesicht ist ungerührt, seine Worte ruhig und klar: Der Alkohol macht alles leichter, Max ist mutig, Max ist stark, nichts bringt ihn aus der Ruhe, er weiß, was er zu tun hat. Alles, was er in den letzten zwei Tagen erlebt hat, kommt plötzlich aus ihm, er lässt nichts aus, erzählt alles, er lässt sie nicht zu Wort kommen, reiht Ereignisse aneinander, zeichnet ein Bild von all dem Schrecklichen, das hinter ihm liegt. Von Wagner, von Blum, von Hanni. Sachlich, ohne Tränen, er informiert sie, nicht mehr. Er füttert sie, und sie fressen ihm aus der Hand, hängen an seinen Lippen, sie nehmen, was er ihnen vor die Füße wirft. Max weiß, was sie brauchen, er weiß, was eine gute Nachricht spannend macht. Er bedient sie, er legt seinen Köder aus, er nimmt das Schicksal in die Hand.
Max spricht den Namen aus. Wagner. Er sagt der Welt, wer für diese Verbrechen verantwortlich ist. Leopold Wagner.
Mörder, sagt er. Geisteskranker Häftling. Impotenter Scheißkerl.
Max schlägt um sich. Es fallen Worte, von denen Max weiß, dass sie ihn treffen, dass sie ihn aufscheuchen, ihn zu ihm treiben. Unmännlich. Unfähig, Kinder zu zeugen. Größenwahn, Feigling, Schwächling. Max provoziert ihn, beleidigt ihn, kränkt ihn, verletzt seinen Stolz. Er spricht von den unzähligen Kindern, die das Glück haben, ihren Vater nicht zu kennen, er schaut in die Kameras und pinkelt in Wagners Gesicht. Mit Anlauf wirft er sich gegen ihn, reißt ihn um, egal wo er sich versteckt, wo er sich verkrochen hat. Egal was kommt.
Mitten in der Nacht. Max im Kreis der Journalisten. Eigentlich sollte er schlafen, neben seiner Freundin liegen, ihre Haut spüren. Doch er redet mit Journalisten, er steuert sie, lenkt sie, er lässt sich fotografieren, er hört sie bereits tippen, telefonieren, er diktiert ihnen die Wahrheit in ihre Mikrofone. Wort für Wort. Er beantwortet ihre Fragen, die sie nicht stellen, weil er weiß, was sie wissen wollen, er lässt nichts offen. Max Broll, blutig, verwundet.
Er sieht wie ihre Augen leuchten. Das Blitzlicht, die Scheinwerfer. Von Minute zu Minute werden es mehr, es spricht sich herum, dass etwas passiert ist, dass Broll bei den Wagen steht und die Bombe zum Platzen bringt, dass das Drama einen neuen Höhepunkt erreicht. Wie verblüfft sie sind, wie sie den Kopf schütteln und bereits in ihren Köpfen an der Moderation arbeiten, an Schlagzeilen. Max hört sie, er kann sie bereits vor sich sehen, schwarz gedruckt, eingeblendet auf den Bildschirmen.
Paukenschlag im Fall Broll.
Totengräber schlägt um sich.
Broll belastet Leopold Wagner.
Der Kindermacher hat wieder zugeschlagen.
Max steht vor ihnen. Er erzählt Ungeheuerliches. Er bettelt nicht. Er tut nicht, was sie von ihm erwartet hätten, er bittet Wagner nicht um Hilfe, er fleht ihn nicht an, ihm zu sagen, wo Tilda ist, wo er sie vergraben hat. Das tut er nicht. Max steht da und holt aus. Er schlägt zu, macht Wagner zum Verbrecher, zum Mörder, Ausbrecher, zum Schänder, zum impotenten Clown, zum Psychopathen, der seiner eigenen Frau kein Kind machen konnte. Er fordert ihn heraus.
Leck mich am Arsch, sagt er. Wir finden sie auch ohne dich.
Dann dreht er sich um und geht.
Er drängt sich an den Journalisten vorbei, beantwortet keine einzige Frage, das Gebrüll ignoriert er, die aufgeregte Meute, die ihm zu seinem Wagen nachläuft. Er steigt in seinen Wagen und fährt. Blitzlichtgewitter. Broll in seinem Auto, ein neues Motiv, Broll am Steuer, sein Gesicht hart und angriffslustig. Wie er vom Gelände fährt, zurück auf die Landstraße.
Max weiß, dass sein Gesicht in wenigen Stunden die Zeitungen pflastern wird, dass es in wenigen Minuten über die Bildschirme flimmert, dass Wagner ihn hören wird, egal wo er ist. Er wird alles hören, was er gesagt hat. Jedes einzelne Wort, die Wahrheit, die ihn für immer hinter Gitter bringen wird. Wagner wird zu ihm kommen, egal ob das ganze Land nach ihm sucht. Max weiß es, er spürt es, er ist sich sicher, Wagner wird sich dafür rächen, er wird Max bestrafen wollen, ihm für jedes falsche Wort ein Stück Haut abziehen. Wagner wird kommen. Weil Max ihn mit Dreck beworfen hat. Weil er will, dass Max still ist, für immer.
Max fährt.
Er hat keine Angst mehr, er hat nichts mehr zu verlieren. Er wird alles für sie tun, für Tilda, er wird nicht zögern, keine Sekunde. Egal was kommt, er ist verantwortlich dafür, er hat
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