Fuer immer und einen Tag
Nerven.«
»Ich will eigentlich gar keinen Tee«, sagte ich zu ihr, als er gegangen war.
»Ich auch nicht«, sagte sie und tätschelte mir die Hand, ehe sie mich wieder in Ruhe meinen Gedanken nachhängen lieÃ.
Am liebsten hätte ich vor Freude geweint. Allzu lange hatte ich mir diesen Traum versagt, in dem Glauben, dass der Krebs ihn mir genommen hatte. Ich hatte meinen Kinderwunsch so tief in mir vergraben, dass ich tatsächlich neun Monate gebraucht hatte, um mich wieder mit etwas vertraut zu machen, das mir eigentlich im Blut lag: das Bedürfnis zu hegen und zu pflegen.
Ich konnte mich noch genau an den Augenblick erinnern, in dem ich beschlossen hatte, dass ich vor allem eines werden wollte: Mutter. Damals war ich vier Jahre alt und hatte meinen Kopf auf den enorm angeschwollenen Bauch meiner Mutter gelegt, in dem meine kleine Schwester (oder mein kleiner Bruder) heranwuchs. Ich drückte mein Ohr an ihre fest gespannte Bauchdecke und bildete mir ein, das Baby in ihr glucksen und lachen zu hören. Als ich zu ihr aufsah, um es ihr zu erzählen, in der Erwartung, dass sie selbst lachen würde, begegnete ich keinem Lächeln, sondern Tränen, die ihr über die Wangen liefen. Da bekam ich es mit der Angst zu tun, weil ich nicht wusste, was sie so traurig machte, und dachte, dass sie das Baby vielleicht nicht wollte. Auch nach Louises Geburt verlieà mich diese Angst nie, weshalb ich über meine Schwester wachte wie eine kleine Glucke.
Bis heute frage ich mich, warum meine Mutter damals weinte. War es wegen der Opfer, die sie für ihre Kinder brachte, wegen des Berufs, den sie nicht ausüben konnte, nachdem sie sich von ihrem Mann zu Heim und Herd und einer neuen Schwangerschaft hatte überreden lassen? Glaubte sie, sich selbst verloren zu haben, indem sie uns das Leben schenkte? Auch ich war gezwungen worden, mich zu entscheiden. Ich hatte meine Stelle gekündigt, weil klar wurde, schon bevor Kate es mir so deutlich machte, dass ich nicht alles haben konnte. Sicher, ich konnte mich zwischen Beruf und Familie aufteilen, würde dabei aber keinem von beiden gerecht werden. Ich musste mich entscheiden, doch letztendlich bedeutete es kein Opfer. Mein Job bei Alsop and Clover war nicht mein Leben, das war meine Familie. Doch letztendlich irrte sich Kate. Ich konnte alles haben; ich musste nur einen Weg finden, es an einem Ort zusammenzubringen.
Emma schaltete den Computer aus und lehnte sich in ihre Kissen zurück. Es hatte angefangen zu dämmern, während sie in ihr Schreiben vertieft war, und das Zimmer lag nun im Halbdunkeln. Das Glücksgefühl, das sie in ihrer Geschichte heraufbeschworen hatte, wurde rasch von der finsteren Realität überschattet. Sie war erschöpft, und das nicht nur körperlich.
So viele Jahre lang hatte sie sich auf eine Auseinandersetzung mit ihrem Vater vorbereitet, und nun, da sie stattgefunden hatte, wusste sie nicht, was sie davon halten sollte. Bevor ihre Stimmung vollends auf den Tiefpunkt sacken konnte, hörte sie das Klimpern von Schlüsseln an der Tür. Sie stellte sich vor, es sei das Klingeln von Ziegenglöckchen, aber kurz darauf steckte Meg den Kopf zur Tür herein und vertrieb das Bild, an dem sie festzuhalten versuchte.
»Warum sitzt du denn im Dunkeln? Ist alles in Ordnung? Brauchst du irgendwas?« Meg klang mit jeder Frage ein bisschen schriller.
»Mum, es geht mir gut«, beschwichtigte Emma. »Ich war nur zu faul, um aufzustehen und die Jalousie herunterzulassen, das ist alles.«
»Müde?«
»Müde ist gar kein Ausdruck. Du hast dich übrigens tapfer gehalten, das muss ich dir lassen«, fügte sie hinzu.
Meg kam lächelnd herein, knipste die Lampe an und ging dann zum Fenster, um die Dunkelheit auszusperren. »Ich weià gar nicht, was du meinst.«
»Klar weiÃt du das. Du hast deine Neugier bezähmt und mich nicht schon den ganzen Nachmittag mit SMS und Anrufen bestürmt.« Während im Bistro alle mit anderen Dingen beschäftigt gewesen waren, hatte zumindest ihre Mutter auf heiÃen Kohlen gesessen, das wusste Emma. »Hast du Zeit für einen Schwatz?«, fragte sie und klopfte auf den freien Platz neben sich.
Meg sprang regelrecht aufs Bett. »Aber klar. Es ist Freitagabend, was gibt es Schöneres, als gemütlich mit meiner Tochter zusammenzusitzen? Also, worüber möchtest du reden?«, fragte sie, immer noch ein Ausbund
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