Fuer immer und einen Tag
Ben.
Emma sah, wie er sich zusammennahm. Wenn die erste Krise auch noch nicht ganz gebannt war, so war sie doch zumindest erst einmal eingedämmt. Sie fühlte sich in der Stimmung, den Faden ihrer Geschichte wieder aufzunehmen.
»Es gibt noch etwas, wobei du mir helfen kannst«, sagte sie. »Wir müssen einen Namen für unser Kind aussuchen.«
»Du hast das Baby schon bekommen?«, rief er. »Deshalb bist du also so still gewesen! Du hast am Wochenende ein Kind zur Welt gebracht und mir nichts davon gesagt? Was ist es?«
Emma sah zum Fenster hinaus, als sie über die SchnellstraÃe sausten, sah die Welt verschwommen an sich vorbeiziehen. »Wir haben ein wunderhübsches Mädchen, sieben Pfund schwer«, sagte sie. »Sie hat schöne dunkle Haare und die braunen Augen ihres Vaters.«
Die darauf folgende Debatte über den Namen des Kindes war lebhaft und gab ihnen Gesprächsstoff für den Rest der Fahrt, aber sie hatten noch lange keine Einigung erzielt, als sie zu Hause ankamen. Emma konnte Ben überreden, zur Arbeit zu gehen, indem sie behauptete, es werde ihr guttun, ein bisschen Ruhe und Frieden zu haben. Widerstrebend gab er nach.
Allein geblieben hatte sie dann kaum die Kraft, gegen die Leere um sich herum anzukämpfen. Sie fühlte sich ausgelaugt und wusste nicht, ob sie es schaffen würde zu schreiben, zog sich aber trotzdem in ihr Zimmer zurück. Als sie die pinkfarbene Rose in die Hand nahm, die Ben auf ihr Kopfkissen gelegt hatte, hatte sie es bereits aufgegeben, tapfer sein zu wollen.
Unsere Tochter entzückte uns jeden Tag aufs Neue, auch wenn wir uns bei der Namenssuche einfach nicht einigen konnten.
»Ich dachte an irgendetwas, das nach Frühling klingt«, sagte ich zu Ben.
Er sah sich auf der Suche nach einer Anregung um. Wir saÃen im Garten, der gerade eine einzige Farbenpracht war. Ãberall öffneten die Sommerblumen ihre leuchtenden Blüten, bereit, den Sonnenschein zu umarmen. Unser Baby schlief fest in meinem SchoÃ. »Frühling?«
»Wie wäre es mit Violetta?«, wagte ich vorzuschlagen. »Oder Camilla?« Ich hob die Hand der Kleinen mit dem Finger an, und sie griff sofort instinktiv zu. Ich küsste all ihre kleinen Fingerchen, atmete ihren köstlichen Babygeruch ein und legte dann ihre Hand an meine Wange, was sich wunderbar anfühlte.
Ben hatte nichts von meinem zärtlichen Moment mit meiner Tochter mitbekommen, er war zu sehr damit beschäftigt, sich kaputtzulachen. »Sie ist doch keine Kuh«, rief er, während ihm die Tränen übers Gesicht liefen.
Der Frühling war meine liebste Jahreszeit, wie ich ihm unbeirrt erklärte. Er bedeutete Wiedergeburt, neues Leben, und ich wollte unbedingt einen Namen finden, der dazu passte und ebenso zu unserer Tochter.
Ben griff hinauf und pflückte eine Blume von dem Rankgitter, das sich über uns wölbte. Erst als er mir die schöne Rosenknospe reichte, deren zartrosa Blütenblätter so weich waren wie die Wangen unserer Tochter, gab ich nach und drückte unsere liebliche Rose zärtlich an mich.
Emmas fünfte Bestrahlungssitzung verlief nicht anders als die erste, und weil sie nachdrücklich darauf bestand, ging das Leben um sie herum normal weiter. Sie lieà sich ihr wachsendes Gefühl der Isolation nicht anmerken und suchte wie stets Zuflucht in ihrem Zimmer, wo sie in ihre Parallelwelt abtauchte. Inzwischen schirmte sie sich und ihre Geschichte immer mehr ab und wurde jedes Mal ausweichend, wenn Ben versuchte, sich daran zu beteiligen. Sie wollte die Zeit mit ihrem Baby in aller Ruhe genieÃen und nicht durch die Kindheit ihrer Tochter hetzen, bis Rose das Nest verlieà und sie wieder mit leeren Armen dastand.
Sie strich über die glänzenden schwarzen Tasten der Tastatur, so glatt, aber kalt und starr. Ein Kloà saà in ihrer Kehle, geformt aus Wut und Traurigkeit. Ihr Baby war nicht aus Fleisch und Blut, und von seiner Berührung ging keinerlei Wärme aus.
Seufzend gab sie es auf, schreiben zu wollen, und ging in die Küche, um sich etwas zu trinken zu holen. Sie lieà die Batterie von gesunden Fruchtsäften links liegen und entschied sich für eine wärmende und hoffentlich erquickende Tasse Kaffee. Sie machte den Kaffee schön stark, aber ehe sie einen Schluck davon trinken konnte, summte die Sprechanlage. Eigentlich erwartete sie niemanden, ihre Mutter und Ben waren
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