Fuer immer und einen Tag
vielleicht am Wochenende mal wieder ein paar Recherchen betreiben, falls du Lust dazu hast?« Er bemühte sich um einen fröhlichen Ton, aber es klang gezwungen.
Emma schüttelte den Kopf. Es würde zwar eine Weile dauern, bis sich die Nebenwirkungen der Behandlung voll bemerkbar machten, aber sie fühlte sich schon jetzt ein wenig wackelig, wenn auch nur mental. »Ich weià nicht, ob es im Moment etwas zu recherchieren gibt.«
»Okay, vielleicht nicht sofort, aber wenn wir erst mal die Kinder gekriegt haben und sie gröÃer sind, könnten wir ja dein Fernweh wiederaufleben lassen«, schlug Ben mit fast verzweifelter Beharrlichkeit vor.
»Ich habe es nicht eilig«, sagte sie und versuchte, sich ihre Gereiztheit nicht anmerken zu lassen. Sie dachte nicht daran, die kostbaren ersten Jahre im Leben ihrer Tochter einfach zu überspringen. Behutsam, beinahe ehrfürchtig legte sie ihre Hand an die Wange, um sich den Moment, als Olivia sie gestreichelte hatte, in Erinnerung zu rufen.
»Ist wirklich alles in Ordnung?«
Sie nickte. »Aber es wird sich einiges verändern, ob wir es wollen oder nicht. Eines Morgens wirst du aufwachen und nicht mich sehen, sondern eine Krebspatientin.«
Ein schmerzlicher Ausdruck zuckte über Bens Gesicht. »Ich werde immer meine Emma sehen, wenn ich dich anschaue.«
»Die Chemo, die ich im Moment bekomme, ist nur gering dosiert, so dass mir noch nicht alle Haare ausfallen, wenn ich Glück habe. Vielleicht nur eine kahle Stelle hier und da, wo die Bestrahlung zuschlägt«, fuhr sie schnell fort. Dabei wünschte sie, sie hätte das Gespräch nicht in diese Richtung gelenkt. Sie zog Ben nur in ihre Verzweiflung mit hinein.
Ben schwieg und starrte unverwandt geradeaus auf die StraÃe. »So was nennt sich neuerdings also Glück haben?«, stieà er schlieÃlich hervor.
Emma rieb ihm über den Rücken, während er weiter nach vorn sah und das Lenkrad so fest packte, dass die Knöchel weià hervortraten. »War es nicht so, dass du mich aufheitern solltest?«, sagte sie leichthin, aber das brachte das Fass zum Ãberlaufen. Ben bog auf einen Parkstreifen ab und hielt abrupt, immer noch, ohne sie anzusehen.
»Es tut mir leid«, keuchte er, sein Atem kam stoÃweise und mühsam.
Emma wurde kalt vor Furcht, und die Ãbelkeit, von der sie schon geglaubt hatte, sie würde ihr nach dieser ersten Bestrahlung erspart bleiben, stieg so heftig in ihr auf, dass sie vorsorglich die Hand auf den Türgriff legte, falls sie sich übergeben musste. Jetzt passierte es, jetzt war ihr Glück zu Ende; Ben würde sich von ihr abwenden, genau wie ihr Vater damals.
Als er sich zu ihr umdrehte, las er ihre Gedanken, und der Schmerz in seinen Augen ging in Bestürzung über. »Nein, nein«, sagte er und nahm ihre Hand. »Du glaubst, ich will mit dir Schluss machen? Oh Gott, Emma, verzeih, nichts liegt mir ferner.«
»Was dann?«, stammelte sie. »Warum reagierst du so? Wenn du nicht sicher bist, dass du es aushältst, dann sag es gleich, denn es wird noch viel, viel schlimmer.«
Ben schüttelte den Kopf. »Ich bin nur so verdammt wütend«, sagte er. »Weil ich dir nicht helfen kann, weil ich nicht mal mit in dieses Behandlungszimmer durfte, um deine Hand zu halten, während sie dein Gehirn in der Mikrowelle gekocht haben. Aber vor allem bin ich wütend auf mich selbst, weil du das alles allein durchmachen und mich obendrein noch trösten musst. Wie kann das sein? Ich fühle mich vollkommen nutzlos.« Er hatte sehr erregt gesprochen, doch nun nahm er sich zusammen und brachte sogar ein Lächeln zustande. »Wehe, du sagst jetzt was Nettes, damit ich mich besser fühle, Emma. Wehe.«
»Du bist vollkommen nutzlos«, bestätigte sie grinsend.
Er rückte näher an sie heran. »Danke.«
»Gern geschehen.«
»Ich liebe dich.«
»Ich dich auch.«
Sie beugten sich zueinander, bis sie Stirn an Stirn waren, küssten sich aber nicht. Sahen sich nur immerfort in die Augen, eine Verbindung, die sich untrennbar anfühlte. Wären die zunehmenden Schmerzen in ihrem Rücken nicht gewesen, hätte Emma stundenlang so bleiben können. »Wenn du dich nützlich machen willst, könntest du jetzt deinen Chauffeurspflichten nachkommen und mich nach Hause fahren.«
»Na, wenigstens etwas, das ich tun kann«, murmelte
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