Fuer immer und ledig - Roman
wissen. »Als ob sie uns ihre Freunde vorstellen würde! Sie hat doch ständig einen anderen Bill oder Jack oder Marc oder James.«
»Na hoffentlich keinen Marc«, fiepte ich erschrocken.
»Warte, ich frage deinen Vater.« Es folgte ein unangenehmes Rascheln, weil sie den Hörer auf ihre Brust
presste. Ich konnte gedämpfte Stimmen ausmachen, dann meldete sie sich wieder. »Er sagt, der letzte Freund, an den er sich erinnert, hieß Bob. Dann wird sie wohl Bob heiraten.«
»Aber warum?«, quengelte ich. »Ist sie schwanger?«
Mutter schrie auf. »Schwanger! Warum hat sie uns denn nichts gesagt?«
Zack, hatte sie aufgelegt. Vermutlich, um Fina in London anzurufen und sie zu fragen, warum sie ihr nichts von ihrer Schwangerschaft verraten hatte, wenn sogar ich, Tilly, schon Bescheid wusste. Fina würde ausrasten und glauben, ich hätte ihr das absichtlich eingebrockt. Mir war es egal. Ich legte mich wieder ins Bett, konnte aber nicht mehr einschlafen.
Fina würde heiraten. In Hamburg. Leider hatte sie auch genug Geld, um sich ein unfassbar großartiges Hochzeitskleid zu leisten. Wenn sie damit aufkreuzte, würde ich sie leider töten müssen. Fehlte nur noch, dass sie uns gestand, all die Jahre heimlich Klavier geübt und mittlerweile Konzertreife erlangt zu haben. Dieses Miststück.
Wir sprachen schon seit Jahren so gut wie kein Wort miteinander. Um genau zu sein, seit sie vor dreizehn Jahren ausgezogen war. Damals ging sie nach London, um an der London School of Economics zu studieren. Sie fand, dass London die einzige Stadt war, die zu ihr passte, und blieb dort. Bekam einen Job als Brokerin, verdiente massenhaft Geld, verspeiste einen Kerl nach dem anderen zum Frühstück, weil sie immer noch umwerfend
schön war und alle vor ihr auf die Knie gingen …
Ich hätte es wissen können. Eine Frau wie meine Schwester wurde mit Heiratsanträgen überschüttet. Früher oder später hatte es einfach passieren müssen, dass sie bei einem amerikanischen Milliardär oder einem englischen Lord oder einem arabischen Ölscheich schwach wurde.
Wahrscheinlich hatte ich genau deshalb so einen Druck bei meinen Freunden gemacht. Um einfach schneller zu sein als sie. Das hatte ja mal wieder wunderbar funktioniert.
Elend schleppte ich mich ins Bad, um zu duschen. Als ich mich anzog, blinkte mein Anrufbeantworter mit zwei neuen Nachrichten. Die erste war von meiner Mutter, die mir ausgesprochen gereizt mitteilte, dass Fina nicht schwanger sei und aus freien Stücken heirate. Die zweite war vom Künstlerbüro der Staatsoper, man vermisse meine Krankmeldung, die ab dem dritten Tag nötig sei. Fluchend suchte ich einen Arzt aus den Gelben Seiten, jammerte die Sprechstundenhilfe voll, wartete zwei Stunden in einem überfüllten Wartezimmer und gab bei meinem Fünf-Minuten-Notfalltermin alles, um als schwer gebeutelte Magen-Darm-Grippe durchzugehen. Dass ich die ganze Nacht nicht geschlafen und viel zu viel Kaffee getrunken hatte, ließ mich wunderbar bleich aussehen und mein Herz rasen, und der gestresste Arzt füllte ohne große Widerworte oder auch nur den Versuch einer näheren Untersuchung die Krankmeldung aus.
Ich fuhr direkt nach Bahrenfeld und verschanzte mich in meinem Raum, wo ich stundenlang mit dem melancholischen Brahms auf meinen armen Flügel einhämmerte, bis ich irgendwann erschöpft auf der Tastatur einschlief.
Tiffy weckte mich, als es ungefähr sechs Uhr abends war, und verlangte eine ausführliche Schilderung der Ereignisse.
»Du hast Marc geschrieben?«, schrie sie aufgeregt.
»Das ist doch unwichtig. Fina heiratet!«, schrie ich aufgeregt zurück.
»Ich habe Kunden hier, so would you please shut the fuck up«, schrie Jonathan aus dem Stockwerk unter uns.
»Hat er geantwortet?«, fragte Tiffy und bekam ganz rote Ohren.
»Keine Ahnung«, stöhnte ich.
Sie zog ihr iPhone aus der Hosentasche und fragte nach meinem Facebook-Passwort. Ich sagte es ihr, und sie verkündete triumphierend: »Aha. ›Tilly ist jetzt mit Marc befreundet.‹ Und eine Nachricht hast du auch schon von ihm.« Sie werkelte herum. »Mann, sieht der gut aus! Immer noch! Kein Gramm Fett, noch alle Haare, sehr schick. Oder ist das ein altes Foto?«
»Was schreibt er?«, flehte ich nun, ganz weich geworden.
»Moment. Hier. ›Liebe Tilly, danke für deine Freundschaftsanfrage, über die ich mich sehr gefreut habe! Ich wollte dich ohnehin schon längst kontaktiert haben,
weil ich gerade in den letzten Monaten viel an dich denken
Weitere Kostenlose Bücher