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Fuer immer und ledig - Roman

Fuer immer und ledig - Roman

Titel: Fuer immer und ledig - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henrike Heiland
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einfiel, stellte ich mich einfach auf die Zehenspitzen und küsste ihn so lange, bis er mich an sich zog und nicht mehr losließ.

9
    Wir küssten uns auf dem Weg zu seinem Zimmer. Wir küssten uns in seinem Zimmer. Wir küssten uns, als wir auf seinem Bett lagen, und sieht man mal davon ab, dass es kurzfristig kleinere Verwicklungen mit der dünnen Bluse und der langen Holzkette gab, weil ich im Eifer des Gefechts versuchte, beides gleichzeitig auszuziehen, lief auch der Rest ganz wunderbar. Ich war unglaublich aufgeregt und hatte wahnsinniges Herzklopfen, und Marc fiel mit ungeahnter Leidenschaft über mich her. Ich fürchte, ich hatte noch nie vorher so intensiven Sex erlebt. Es war, als hätte sich über die Jahre etwas angestaut, das in dieser Nacht explodierte.
    »Das hätten wir schon vor sechs Jahren machen sollen«, flüsterte ich, als es vorbei war.
    Es dauerte einen Moment, bevor er antwortete: »Ja. Ja, das hätten wir machen sollen. Das wäre richtig gewesen.«
    Wir schliefen verschwitzt und erschöpft nebeneinander ein, und als ich am nächsten Morgen aufwachte, war Marc schon weg. Und ich ganz schön spät dran.
    Zum Glück lag das Vier Jahreszeiten gerade mal drei
Minuten zu Fuß von der Staatsoper entfernt. Ich sprang unter die Dusche, warf mich in meine Klamotten und rannte mit klatschnassen Haaren zum Bühneneingang. Es hatte sowieso gerade angefangen, wie aus Kübeln zu gießen, sodass es gar nicht auffallen würde, wenn meine Haare noch eine Weile vor sich hin trieften. Um zehn hatte ich mich mit einer Sopranistin zum Proben verabredet. Sie kam immer zehn Minuten früher und erwartete von mir dasselbe. Um neun Minuten vor zehn stand ich im Fahrstuhl, um acht vor hechtete ich über den Flur zu einem der Proberäume, und um Punkt zehn Uhr saß ich immer noch alleine am Flügel und wartete. Dann ging ich auf den Flur, um nachzusehen, ob sie vielleicht entgegen ihrer Art irgendwo herumstand und mit jemandem quatschte.
    Dann endlich entdeckte ich den Zettel an der Tür: »Sänger/Chor/Orchester um 10 im Orchesterprobesaal«.
    Tatsächlich hatten sich fast alle in dem riesigen Saal versammelt. Ich entdeckte sogar die zweite Geige und Jörg. Die beiden zu sehen, ließ mich nicht so kalt, wie ich es gerne gehabt hätte, aber jetzt, da ich Marc hatte, konnte ich wenigstens nach außen hin total ruhig bleiben. Als ich mich genauer umsah, entdeckte ich auch noch den technischen Leiter, die Pressesprecherin, Tim mit seinen Kolleginnen und hier und da noch ein paar Leute aus der Verwaltung oder anderen künstlerischen Abteilungen, die mit den Musikern nichts zu tun hatten. Ich schlug mich zu Tim durch.

    »Weinreb himself hat uns herbestellt. Ich habe keine Ahnung«, sagte er, und dann: »Oh, nee, du hattest Sex, oder?«
    Ich strahlte und nickte und strahlte noch mehr.
    »Du hast dich aber nicht schon wieder verlobt?«
    Ich hörte auf zu strahlen. »Blödmann«, knurrte ich und trat ihm auf den Fuß.
    Er krümmte sich bei dem Versuch, nicht laut aufzuschreien. »Marc, hoffe ich?«, keuchte er.
    Ich strahlte wieder. »Ist es, weil ich so wahnsinnig glücklich aussehe?«
    »Es ist, weil du dieselben Klamotten trägst wie gestern. Wo ist eigentlich die Holzkette? Die muss ich der Requisite zurückgeben.«
    Ich zuckte die Schultern. »Vielleicht zwischen die Matratzen gerutscht, als wir …«
    »Keine Details«, wehrte Tim ab.
    »Aber es war sooo schööön«, schwärmte ich und holte schon Luft, um mit den Details aufzuwarten, als Weinreb, der Intendant, den Probesaal enterte.
    »Sieht bisschen blass aus«, wunderte sich Tim.
    »Hatte wohl’ne langweilige Nacht«, grinste ich, und Tim, der den Intendanten sehr mochte, stieß mir in die Rippen. Ich mochte Weinreb auch. Er war Amerikaner, sprach ungefähr siebenundzwanzig Sprachen fließend, hatte schon überall auf der Welt mit so ziemlich jedem halbwegs relevanten Orchester vermutlich alle Komponisten, die jemals akzeptable Orchestermusik geschrieben haben, aufgeführt und strotzte nur so vor Energie.
    Außer an diesem Morgen.
    »Die schlechte Nachricht zuerst«, sagte er ohne Umschweife. Seine direkte Art war auch so etwas, das ich an ihm mochte. »Unser geschätzter Kollege und Erster Kapellmeister Randovic fällt aus. Er hatte einen Unfall, ganz schlimme Sachen, die Einzelheiten werden sich sowieso rumsprechen, deshalb kürze ich das an dieser Stelle ab. Wie auch immer, wir haben für die ›Carmen‹-Premiere in zwei Wochen Ersatz. Hochkarätigen Ersatz.

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