Fuer immer und ledig - Roman
überdurchschnittlich oft gewünscht, die beiden
würden sich einfach scheiden lassen. Ich hatte es ihnen sogar einmal vorgeschlagen, als ich ungefähr fünf oder sechs war, aber weder damals noch heute sahen sie offenbar die Notwendigkeit für diesen Schritt.
»Mir geht’s nicht gut«, fiepte ich dazwischen, aber es kam weder bei ihm noch bei ihr an.
»Reservier uns mal was im ›Carls‹«, herrschte Mutter mich an. »Du weißt doch, wie so was geht.«
»Aber …«, protestierte ich.
»Ja, natürlich kannst du mit. Sechs Personen.«
»Wieso sechs?«, fragte ich verwirrt.
Meine Eltern sahen ebenso verwirrt aus. »Na, dein Verlobter, dieser … Dings, sag schnell«, erklärte Vater.
»Jörg?« Verdammt, ich hatte vergessen, es ihnen zu sagen. »Ähm, also wir sind nicht mehr …«
»Jetzt weißt du auch, warum sie so geheult hat«, stellte Mutter zufrieden fest, und ich ließ sie in dem Glauben. »Hatte er’ne andere?«
Es klang, als würde die Barfrau zum Stammkunden sagen: »Wie immer?«
Ich sagte: »Wie immer.«
Dann sagte Vater etwas für seine Verhältnisse unglaublich Verständnisvolles: »Lass mal, Kind, wir reservieren schon selbst.«
Und damit gingen meine Eltern zur Tagesordnung über.
»Guck mal, Kind, Schwarzwälder Kirsch.«
»Mutter, ich hab noch nicht mal gefrühstückt, ich kann doch nicht…«
»Aus der Tiefkühlung im Supermarkt«, grätschte sie mir ins Wort. »Schmeckt aber fast wie vom Konditor und ist auch schon fast ganz aufgetaut. Willst du probieren?«
Ich verzog mich mit einem Tablett Schwarzwälder Kirsch und Tee in mein altes Zimmer, das mittlerweile so eine Art Ankleide- und Bügelzimmer für meine Mutter geworden war. Ein Bett stand aber immer noch drin. »Für Notfälle«, wie meine Eltern einmal sagten. Nach dem dritten Stück Torte fing ich an, mich etwas besser zu fühlen. Zucker half bei einem Schock wohl wirklich. Ich hatte endlich das Gefühl, wieder klar denken zu können.
Marc hatte also vor zu heiraten. Deshalb war er von New York nach Hamburg gekommen. Aber dann hatte er sich mit mir verabredet, nachdem wir uns sechs Jahre lang nicht gesehen hatten. Andererseits hatten wir all die Jahre irgendwie in Kontakt gestanden, schließlich hatte er mir jedes Jahr Blumen geschickt. Da ich aber nie geantwortet hatte, hatte er sich meiner nicht sicher sein können. Außerdem hatte ich auch immer andere Männer gehabt. Und dann hatten wir uns nach so langer Zeit der Unsicherheit und der unausgesprochenen Gefühle wiedergesehen. Es war unvermeidlich dazu gekommen, dass wir uns endlich unsere Gefühle füreinander eingestanden hatten - warum sonst wären wir wohl miteinander ins Bett gegangen? -, und jetzt musste sich Marc entscheiden, was er tun wollte. Seine zukünftige Frau für mich Hals über Kopf verlassen?
Wohl kaum.
Andererseits … Waren diesmal nicht die Rollen vertauscht? Ich war die Geliebte, die andere Frau war die Betrogene. Und was hatte ich leidvoll lernen müssen? Dass Männer durchaus ihre festen Beziehungen opferten, um mit irgendeiner Bettgeschichte durchzubrennen. Das konnte doch bedeuten, dass sich Marc für mich entscheiden würde?
Ganz sicher sogar würde er das tun. Wer seine Verlobte betrog, tat das doch nur, weil er wusste, dass in seiner Beziehung etwas nicht stimmte. Marc wusste bestimmt, dass er mit der Falschen zusammen war. Oh ja, er würde sich für mich entscheiden.
Kein Zweifel.
Ich wollte Tiffy anrufen, um ihr alles zu erzählen, merkte dann aber, dass ich mein Handy an der Staatsoper hatte liegen lassen. Nun, es konnte warten. Zufrieden kratzte ich mit der Gabel die letzten Sahnereste meines Frühstücks zusammen und warf mich aufs Bett.
10
»Steh auf und mach dich ein bisschen, äh, hübsch«, quäkte mir meine Mutter ins Ohr. In meinem Traum hatte ich wieder in die Schule gehen müssen. Die dicke Tina bewarf mich auf dem Pausenhof mit ihrer leeren Kakaotüte, und ich stellte gerade fest, dass ich meine Mathehausaufgaben nicht gemacht hatte. Gleichzeitig wusste ich, dass ich das Abi schon bestanden hatte, aber aus irgendeinem Grund war es lebensnotwendig, diese Matheaufgaben noch einmal vorzulegen, da ich trotz Abi doch erst zwölf Jahre alt war und mit Kakaotüten beworfen wurde. Von daher war ich ganz dankbar, dass sie mich so unsanft weckte.
»Wie spät ist es denn?«, murmelte ich noch ganz verschlafen.
»Fünf Uhr am Nachmittag, hast du etwa die ganze Zeit geschlafen? Und jetzt geh mal ins Bad, Jörg wartet unten
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