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Fuer immer und ledig - Roman

Fuer immer und ledig - Roman

Titel: Fuer immer und ledig - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henrike Heiland
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rechtzeitig die Stimme, sodass der Name der Unglücklichen in unverständliches Gemurmel überging. »Da werde ich gleich morgen …«
    »Aber das muss doch nicht …«, protestierte ich großherzig.
    »Und ob, das ist ja …!«, geriet Meyer-Bergedorf außer sich.
    »Darf ich denn jetzt …?«, hob ich an.
    »Aber sicher, sicher! Welchen…?« Er flog zwischen den auf Hochglanz polierten Edelstücken hin und her und schien sie mir alle gleichzeitig anzubieten.
    Ich wusste gar nicht, wo ich zuerst hinschauen sollte. Ich war mitten im Schlaraffenland für Pianisten. Um mich herum verschiedene Ausführungen der Standardflügelreihen, die Rietmann im Moment herstellte. Der kleinste und günstigste, den ich sah, entsprach einer Weiterentwicklung meines Instruments, und bei dem
Herzklopfen, das ich bei seinem Anblick bekam, fühlte ich mich, als würde ich meinem treuen Begleiter gerade fremdgehen. Die anderen waren allerdings noch verlockender - sie waren größer, und was ich theoretisch über ihren Klang und ihren Anschlag wusste, machte mich sehr, sehr neugierig - und sehr, sehr glücklich.
    Meyer-Bergedorf hob fragend die Augenbrauen und rieb sich die Hände, und mir wurde langsam schwindelig. Dann fiel mir etwas ein, etwas Ungeheuerliches, das ich mich nie zu fragen getraut hätte, wenn ich alleine hergekommen wäre. Aber Marc war bei mir, und so fühlte ich mich sicher. Fünf verschiedene Modelle hatte ich ausgemacht, insgesamt fünfzehn Flügel, weil sie von jedem Modell drei Farben aufgestellt hatten. Aber bei Rietmann produzierten sie noch einen sechsten Flügel.
    »Haben Sie den R-283 …«
    Meyer-Bergedorf nickte wohlwollend. »Der Maybach unter den Flügeln«, sagte er andächtig, federte durch die Flügelreihen und zog einen schwarzen Vorhang zur Seite, hinter dem ich eine Wand erwartet hätte. »Den darf natürlich nicht jeder …«
    Ich steuerte leicht schwankend vor Ehrfurcht auf den 283 cm langen seidenschwarz polierten Konzertflügel zu. Meyer-Bergedorf beeilte sich, das dezente Kärtchen mit der Produktbeschreibung, die auch den Preis im mittleren sechsstelligen Bereich zeigte, noch dezenter verschwinden zu lassen, und schob mir die mit dunkelrotem Leder bezogene Klavierbank unter den Hintern.
    Ich hatte noch nie einen R-283 im wirklichen Leben gesehen.
    Ich setzte mich, schraubte die Bank in die passende Höhe, probierte auf den Pedalen herum, schob die Ärmel hoch, lockerte die Finger. Warf die Haare zurück, zupfte noch einmal an den Ärmeln, schraubte die Bank einen halben Millimeter höher, zog sie einen halben Zentimeter näher an den Flügel. Starrte auf die schwarz-weißen Tasten - und fing an zu zittern. Hier saß ich, mit dem Mann, den ich seit Jahren heimlich liebte und der es mir gerade ermöglicht hatte, auf einem der begehrtesten Flügel der Welt zu spielen. Und ich wusste nicht, was ich spielen sollte. Der Moment war viel zu groß, viel zu überwältigend, und, ehrlich gesagt, hatte ich mich auch viel zu sehr daran gewöhnt, auf schlechten Klavieren öde gesetzte Partituren herunterzuhämmern. Natürlich spielte ich, wenn ich allein mit meinem alten Rietmann in meinem Proberaum war, auch mal etwas Schönes, nur für mich, aber - ja, dann war ich eben alleine. Mit meinem alten Rietmann. Nicht mit einem glänzenden neuen Teil, das über einen Meter länger war, das Doppelte wog und das Fünfzigfache kosten sollte.
    Ich dachte mit zarter Wehmut an meinen kleinen, alten Flügel. So fühlt sich also Fremdgehen an, seufzte ich in Gedanken. Wenn ich auf diesem Flügel spiele, wie soll ich je wieder auf meinem alten spielen können?
    Ich stand auf. »Sorry, ich kann das nicht«, sagte ich mit erstickter Stimme.

    Meyer-Bergedorf presste verständnisvoll die Lippen zusammen. »Das geht den meisten so. Lassen Sie sich ruhig Zeit.« Er hatte den Anstand, dabei nicht auf seine Uhr zu schauen.
    »Wenn du es nicht tust, wirst du es bereuen«, warnte mich Marc mit einem Augenzwinkern.
    »Aber wenn ich es tue, kann ich nie wieder…«, begann ich.
    »Sollen wir dich einen Moment alleine lassen?«, fragte Marc. »Wir lassen dich alleine. Und das ist ja auch viel zu hell hier. Ganz ungemütlich. Herr Meyer-Bergedorf …«
    Meyer-Bergedorf flog bereits zu den Lichtschaltern. »Aber selbstverständlich, Herr Jacobeit.« Und schon war das Licht angenehm gedämpft, der Raum hatte eine völlig andere Atmosphäre bekommen.
    »Herr Meyer-Bergedorf und ich wollten uns sowieso noch über was unterhalten«,

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