Fuer immer und ledig - Roman
Aufführungen, sie müssen vernünftig proben. Ich habe einen Ersatz für dich, der im Prinzip sofort anfangen kann. Also entscheide dich: Staatsoper oder Bahrenfeld?«
Ich hätte sagen können: Beides! Ich schaff das schon. Ich reiß mich ab sofort zusammen, und in einer Woche ist es auch schon durch. Anschließend das Haus weiter zu besetzen kostet ja nicht so viel Zeit wie eine Riesenparty mit Presse und halb Hamburg zu planen.
Ich hätte sagen können: Hey, ich habe Verträge mit euch, hol den Gewerkschaftsvertreter, so geht das ja nicht. Und schließlich hat jeder mal einen Durchhänger.
Ich hätte sagen können: Nimm die Vertretung nur für eine Woche, dann bin ich wieder da und steige voll ein.
Ach, was ich nicht alles hätte sagen können. Aber ich sagte: »Bahrenfeld«, stand auf und ging zur Tür.
»Kommst du wieder?«, fragte Weinreb.
Ich drehte mich zu ihm um und sah ihn lange an, ohne zu antworten.
»Ich hatte immer den Eindruck, du bist sehr gerne hier. Du verstehst dich mit allen gut, du machst einen super Job, du hast Spaß …«
Ich nickte, sagte aber immer noch nichts.
»Wenn du zurückwillst, melde dich. Die Tür bleibt für dich offen.«
Netter konnte man wohl nicht rausgeworfen werden. Überrascht stellte ich fest, dass mir Tränen in die Augen stiegen. Ich schluckte tapfer, und dann sagte ich zu ihm: »Danke.«
Mehr nicht. Nur »Danke«. Und dann ging ich ein letztes Mal zum Aufzug, fuhr ein letztes Mal ins Erdgeschoss, ging ein letztes Mal durch den Bühneneingang und sah mich nicht mehr um.
»Sprich doch mit dem Gewerkschaftsvertreter«, sagte Fina. Keine Ahnung, warum ich ausgerechnet ihr davon erzählte. Wahrscheinlich, weil ich gerade mit kaum jemandem so viel Zeit verbrachte wie mit ihr. Und wenn ich es mir recht überlegte, hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht so viel Zeit mit meiner Schwester verbracht wie in der letzten Woche.
»Ich will gar nicht mehr dahin«, murmelte ich.
»Und was machst du jetzt? Arbeitslos sein? Na ja, ich hab ja immer gesagt, Musik ist eine brotlose Kunst. Schnüren Sie mich mal enger, ich seh ja aus wie eine Rettungsboje«, keifte sie die Brautmodenverkäuferin an. Diese schnürte gehorsam, und Fina fluchte.
»Aufmachen! Aufmachen! Sie bringen mich ja um!«
»Aber Sie wollten doch, dass ich …«, jammerte die Verkäuferin.
»Nein. Dieses Kleid ist es auch nicht«, knurrte meine Schwester. »Und diese Schuhe, meine Füße sehen in diesen Schuhen aus wie U-Boote. Tilly, steh auf, wir gehen.«
»Zieh dich erst mal wieder um.«
»Auch wieder wahr.«
So ging es jeden Tag. Wir klapperten alle möglichen Geschäfte ab, Fina probierte jedes weiße Kleid an, und kein einziges gefiel ihr.
»Manchmal denke ich, du willst überhaupt nicht heiraten«, sagte ich, als wir erschöpft nach dem achten Kleid, das es wieder nicht geworden war, im Café saßen und auf die Alster schauten. Ich verabreichte ihr mein Gift schon eine ganze Weile in winzigen Dosen, aber dieser Tag bot sich geradezu an, die Dosis zu erhöhen.
»Unfug. Natürlich will ich heiraten«, sagte sie leichthin. »Nur, weil ich kein Kleid finde, heißt das noch gar nichts. Ich habe auch drei Monate nach einem Kleid für den Abiball gesucht. Falls du dich erinnerst.«
Wie hätte ich das vergessen können. Es war das bis
dahin größte Drama in Finas Leben gewesen. Meine Eltern waren mit ihr schließlich bis nach Berlin gefahren, um ein Kleid zu finden, das ihr gefiel. Dort fand sie dann eins, nur um festzustellen, dass ihre Konkurrentin aus der Parallelklasse ein ganz ähnliches hatte. (Sie war dafür nicht nach Berlin gefahren, sondern hatte es in einem Secondhandladen in Wedel gefunden.) Daraufhin musste Finas Kleid komplett umgeschneidert werden, und meine Eltern dachten ernsthaft darüber nach, mich gar nicht erst durchs Abitur zu bringen, weil sie Angst hatten, ich könnte mich ähnlich anstellen.
»Es ist ja nicht nur das Kleid«, sagte ich und saugte an meiner Cola. »Es ist … irgendwie alles. Du scheinst so gar kein Interesse an all den anderen Dingen zu haben. Ich habe bis jetzt alles allein ausgesucht. Die Einladungskarten, das Restaurant, die Menüfolge - alles.«
Sie sah mich mit zusammengekniffenen Augen an. »Das ist doch die Aufgabe der Brautjungfer, oder etwa nicht? Und nicht jede Frau ist so durchgeknallt wie du und plant die Hochzeit schon im Detail, noch bevor sie geschlechtsreif ist.«
Ich hatte gestern Nacht mit Marc wieder mal heißen Sex auf dem Sofa
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