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Fuer immer und ledig - Roman

Fuer immer und ledig - Roman

Titel: Fuer immer und ledig - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henrike Heiland
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kniff.
    »Meine Damen und Herren, hören Sie jetzt den Shootingstar unter den Pianistinnen. Und Pianisten. Hören Sie…« Er stockte und beugte sich zu mir. »Schatz, wir müssen dir einen Künstlernamen suchen. Tilly Baader klingt nicht sehr glamourös.«
    Ich sah ihn entsetzt an. Aber die Leute lachten und hielten es für einen Scherz. Sie klatschten, forderten mich auf, endlich zu spielen.
    Ich holte tief Luft und sah mich um. Sonst hatte ich immer nur in Konzertsälen gespielt. Mit ausgefeilter Akustik, mit ausreichend Bestuhlung, mit abgestimmter Beleuchtung. Hier aber standen die Leute herum,
tranken Wein, manche rauchten, manche unterhielten sich, auch während wir gespielt hatten. Die Atmosphäre glich eher einem Rockkonzert als einer Klassikveranstaltung.
    Und ich kam mir gar nicht mehr fehl am Platz vor.
    Ich fing von Lahnsteins Blick auf, der nun ernst war, und ich dachte: Wir sind wegen ihm hier. Jetzt muss ich’s ihm zeigen. Einmal, dass ich es verdient hatte, hier zu sein, zusammen mit all den anderen. Und dann noch, dass ich mindestens genauso viel Tiefe und Ausdruck in mein Spiel bringen konnte wie er. Nach der emotionalen Achterbahnfahrt der vergangenen Tage musste doch etwas auf mein Spiel abfärben, dachte ich trotzig. Ich erinnerte mich an das, was ich empfunden hatte, als ich ihm zufällig beim Spielen zugehört hatte.
    Dann fing ich an.
    Wenn man Glück hat, kann man fast völlig vergessen, dass Publikum anwesend ist. Man nimmt das Adrenalin mit, das einem genau den richtigen Kick versetzt, um besser zu sein, als man es alleine beim Üben je sein kann, und dann spielt man sich in eine Art Rauschzustand. Leider weiß man hinterher nicht mehr so genau, was man wie gespielt hat, aber das muss man auch nicht. Das Einzige, was man nach den paar Minuten totaler geistiger Entrücktheit mitnimmt, ist der Applaus. Selbst der dringt noch etwas gedämpft durch die dicke Nebelwand der Aufregung, aber man bekommt ihn doch mit.
    Ich jedenfalls war überwältigt von den Bravorufen. Überwältigt und überfordert. Ich bedankte mich, verbeugte
mich, und als die ersten Zugabe!-Rufe kamen, verschwand ich eilig in meinen Raum und schloss rasch die Tür.
    Ich ließ mich dagegen fallen und spürte, wie mir Tränen übers Gesicht liefen.
    Ich hatte es geschafft. Ich hatte …
    Es klopfte.
    »Frau Baader?«
    Schnell wischte ich mir die Tränen weg.
    »Ähm, ja, ich wär jetzt gerne kurz ein bisschen … Ich bin gerade etwas …«, stammelte ich.
    »Ja. Natürlich. Ich wollte nur fragen … Haben Sie eigentlich meine Blumen bekommen? Ich frage nur, weil Sie sich nicht gemeldet haben, obwohl ich doch eine Karte …«
    Blumen? Stimmt! Sie waren ja gar nicht von Marc! Irgendwo da draußen gab es einen Verrückten, der mir seit Jahren Blumen schickte. Und der war jetzt hier! Schon komisch, wie ein und dieselbe Geste so unterschiedliche Gefühle auslöste - je nachdem, welcher Mann dahintersteckte. Was ich bei Marc noch wunderbar romantisch und entzückend gefunden hatte, empfand ich nun von einem Fremden als aufdringlich und bedrohlich.
    »Blumen? Oh …« Ich tastete nach dem Schlüssel und schloss eilig ab. Nicht, dass der Typ auch noch unaufgefordert reinkam. Mich hier in aller Ruhe umbrachte, während sie draußen Party machten. »Wie oft haben Sie mir denn schon Blumen geschickt?«, fragte ich zur Sicherheit.
    »Das wissen Sie doch. Seit Ihrem Abschlusskonzert.«
    Verdammt. Es war ein verrückter Stalker. »Ja. Also, vielen Dank, die waren alle immer sehr schön. Und jetzt würde ich gerne …«
    »Ja. Verstehe. Wir sehen uns vielleicht später noch und können ein bisschen reden.«
    Klar. Reden. Haha.
    »Aber lassen Sie mich schnell noch eins sagen: Ich freue mich sehr, dass Sie auf einem Flügel gespielt haben, den mein Großvater gebaut hat.«
    Was?
    »Was?«, fragte ich.
    »Ihr Rietmann. Den hat mein Großvater gebaut.«
    Ich drehte den Schlüssel wieder um und riss die Tür auf. »Ihr Großvater ist der Rietmann?«, rief ich noch beim Türaufreißen.
    Herr von Lahnstein nickte stolz.

21
    »Ihr Großvater hat mit einem tapferen kleinen Klavierbaubetrieb angefangen, und wenn er nicht groß rausgekommen wäre, könnten Sie sich heute Ihr tolles Leben gar nicht leisten«, warf ich ihm vor.
    Er sah mich irritiert an. »Ja, ähm, das kann ich schlecht leugnen. Und jetzt soll ich zerknirscht und schlecht drauf sein, weil mein Opa …«
    »Weil Sie uns aus unserem tapferen kleinen Künstlerhaus werfen wollen. Ihr Opa

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