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Fuer immer und ledig - Roman

Fuer immer und ledig - Roman

Titel: Fuer immer und ledig - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henrike Heiland
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Staatsoper‹, wie er gesagt hat.« Sie malte die Anführungszeichen in die Luft. »Er hat sich sogar die Mühe gemacht, überall zu verbreiten, dass Ihre Veranstaltung, meine liebe Frau Baader, leider ausfällt.«
    Das erklärte nun wirklich restlos alles. Von Lahnstein hatte Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um die Zuschauer von uns fernzuhalten. Und die Presse. Und die Musiker. Deshalb hatte also niemand Zeit gehabt, nicht mal ein halbes Stündchen am Nachmittag! Diese Verräter. Aber klar, von Lahnstein zahlte mit Sicherheit auch gutes Geld als Gage, und eine offizielle Veranstaltung tat dem Image des subventionierten Kulturbetriebs immer gut. Wir hingegen hatten außer ein bisschen Idealismus, Illegalität und Freigetränken nicht viel zu bieten.
    Jörg sah auch aus, als hätte ihn ein Ufo am Kopf getroffen. Ihn hatte man wohl nicht als »Star der Staatsoper« angesehen. Er tat mir fast schon ein bisschen leid.
    »Staatsoper«, schnaufte Rupert. »Interessant.« Dann verschwand er.
    »Was hat er denn?«, fragte Tiffy und betastete vorsichtig ihre weiße Mozartperücke.
    »Wahrscheinlich schlechte Laune«, fürchtete ich.
    »Kommt er wieder?«
    »Ist Rupert berechenbar?«

    »Stimmt auch wieder.«
    Ich ging zu Ruperts Leuten, meinen »Kollegen«, haha, und entschuldigte mich ununterbrochen bei ihnen. Charles Bonham schlug schließlich vor, einfach anzufangen, mit oder ohne Publikum.
    »Wir sind hier, um Musik zu machen, nicht um schlechte Laune zu haben. Wir machen doch Musik aus Leidenschaft!«
    Und ja, verdammt, er hatte Recht. Sofort warf sich Jörg dazwischen und verkündete, ein dermaßen leidenschaftlicher Sänger zu sein, dass er es gar nicht erwarten konnte, endlich zu singen.
    »Rupert ist nicht hier«, zischte ich ihm zu. »Mach dir keine falschen Hoffnungen.«
    »Aber wenn Charles mich hört«, zischte er zurück, »legt er ein gutes Wort für mich bei Rupert ein, und der nimmt mich dann in seine Agentur auf.« Jörgs Augen fielen fast aus den Höhlen vor Eifer.
    »Sag mal, warst du nur mit mir zusammen, weil Rupert mein Agent ist?«
    »Quatsch.«
    Die Antwort war mir ein bisschen zu schnell gekommen. Aber okay, es war vorbei. Trotzdem hätte ich sehr gerne gewusst, was die zweite Geige wohl so zu bieten hatte, außer dass sie seine Vorliebe für Sex an öffentlichen Orten teilte.
    Wir hatten meinen Flügel in den größten Raum geschoben, dort, wo sich die Installationskünstlerin Pam mit der Fotografin Dorothee für eine Ausstellung zusammengetan
hatte. Die anderen versammelten sich, und ich stimmte das Lied an, das Jörg als Erstes auf seine Gesangsreihenfolgewunschliste geschrieben hatte. Es waren alles Stücke aus Hugo Wolfs »Italienischem Liederbuch«, mit Texten von Paul Heyse. Jörg wollte gleich mit dem ausgesprochen getragenen Stück »Ihr seid die Allerschönste« anfangen. Danach trällerte er, ähnlich getragen, »Dass doch gemalt all deine Reize wären«, und dann griff er so richtig in die Melancholiekiste mit »Sterb ich, so hüllt in Blumen«. Vielleicht hätte ich die Reihenfolge mit ihm vorher durchgehen sollen. Drei Schmachtfetzen in Folge waren keine gute Idee. Schon gar nicht an einem Tag, an dem die Stimmung deutlich unter Keller war. Und schon dreimal gar nicht, wenn es so tolle und witzige Alternativen vom selben Komponisten aus demselben Liederzyklus gab. Versteh einer die Sänger.
    Nach dem dritten Stück klatschte Charles Bonham beherzt und rief: »Sehr schön, sehr schön! Das ist ganz toll, darf ich mitsingen?«
    Jörg, total überrumpelt, stotterte: »Oh, das wäre mir eine Ehre!«
    Und ich fragte mich, was zum Teufel Charles Bonham hier mitsingen wollte. Das »Italienische Liederbuch« bestand aus Stücken entweder für eine Frau oder einen Mann, wobei die Lieder für die Frauen überwogen. Es gab keine Duette, schon gar keine für zwei Männer, und dass Charles Bonham so unhöflich war, Jörg von unserer improvisierten Bühne zu kicken, weil
er sich langweilte, konnte ich mir nicht vorstellen. Obwohl, man konnte ja nie wissen.
    Gespannt wartete ich, was passieren würde. Charles Bonham räusperte sich ein wenig, sang sich im Schnelldurchlauf ein, wippte auf den Zehenspitzen herum, dehnte und streckte sich …
    Die anderen fingen an zu kichern.
    Bonham machte weiter. Stöhnte übertrieben laut auf, machte Lockerungsübungen für die Stimmbänder, bei denen er sich anhörte wie ein winselnder Dinosaurier, drehte sogar Pirouetten. Jetzt mischte sich Applaus in das

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