Fuer immer und ledig - Roman
ja längst in London. Fühlt sich sehr wohl, das kann man nicht anders sagen.«
Vater: »Ja, mit Hamburg hat sie eigentlich nicht mehr so viel zu tun. Will sie auch gar nicht. Nur, wenn es sein muss, nicht wahr.«
Rietmann: »Dann … hätte sie wohl auch kein Interesse, wenn ich ihr, ich sage mal, ein Angebot machen würde, also rein beruflich?«
Kollektives Kopfschütteln.
Mutter: »Lassen Sie mal lieber. Das würde sie ja ganz durcheinanderbringen. Sie hat sich doch so gut eingelebt.«
Vater: »Ja, sie war ganz unglücklich, sie hatte eine Anfrage aus Frankfurt, ein sehr gutes Angebot, versteht sich, und da jammerte sie wochenlang rum, was sie bloß machen soll, Vater, sagte sie, ich will gar nicht mehr weg aus London, aber das Angebot ist so gut, wäre es doch bloß nie gekommen. Also lassen Sie das mal besser, junger Mann.«
Ich starrte Rietmann an, unfähig, irgendetwas dazu zu sagen.
»Aber wissen Sie, ich war so beeindruckt von Ihnen, ich wollte Ihnen wenigstens eine kleine Freude machen. Also schickte ich Blumen.« Er winkte zaghaft in meine Richtung. »Hallo? Ist alles in Ordnung? Na, wenn Sie heute keine Lust mehr haben, mit mir zu reden, vielleicht ergibt sich ja mal die Gelegenheit und Sie erzählen mir ein wenig von Ihrer Zeit in London?«
»Ich war nie in London«, sagte ich heiser.
Jetzt staunte Rietmann. »Nein? Aber Ihre Eltern …«
»… haben die ganze Zeit von meiner Schwester geredet.«
Auf meinem Abschlusskonzert gratulierte man ihnen zu ihrer Tochter. Und sie dachten automatisch an Fina,
die zu der Zeit gerade im Job befördert worden war. Hatte noch jemand Fragen, was mein gestörtes Verhältnis zu Fina anging?
»Heute Abend haben Sie übrigens noch viel wunderbarer gespielt als bei Ihrem Abschlusskonzert«, riss mich Rietmann aus meinen düsteren Gedanken, in denen eine Machete, meine Eltern und Fina (alle drei an Pfähle gefesselt) vorkamen.
»Ich hatte den Eindruck, als hätten Sie viel mehr Ausdruck über die Jahre bekommen. Und dabei waren Sie damals schon mehr als nur beeindruckend.«
Ich wurde rot und starrte auf meine Stahlkappendocs. »Das lag ein bisschen an Ihnen.«
Finas Polterabend war schon in vollem Gang. Ich hatte ihn über unserer umfassenden Generalaussprache wirklich total vergessen, aber wie es aussah, schien mich niemand ernsthaft vermisst zu haben. Und gebraucht hatte mich auch keiner. Wie von mir geplant - und gehofft -, war die dann doch überraschend große Polterabendgesellschaft sozusagen in der noch viel überraschenderen größeren Künstlerhausparty nahtlos aufgegangen. Tatsächlich ergänzten sich die beiden Gesellschaften ganz vorzüglich.
Vor dem Fabrikeingang lagen bereits große Scherbenhaufen, und Fina ließ sich gebührend feiern. Marc sah allerdings etwas angespannt aus. Ich gesellte mich zu ihnen, warf auch ein paar Teller kaputt, wünschte brav Glück und ewige Liebe, suchte dann aber wieder Rietmanns
Gesellschaft. Er war in dem großen Raum und stand neben meinem Flügel. Wie passend. Die musikalischen Programmpunkte waren durch, jemand hatte eine CD aufgelegt und beschallte das gesamte Gebäude. Die Installationskünstlerin Pam startete ihre Diashow, und die Gäste wandelten von Raum zu Raum, um sich die Exponate anzusehen und mit den Künstlern zu reden. Ina von Lahnstein dirigierte ihre Bekannten - und das waren viele - in verschiedene Richtungen und wirkte, als würde sie hauptberuflich Verkehr regeln. Der Abend, so ungewiss sein Ausgang bezogen auf die Zukunft unseres Künstlerhauses auch sein würde, war ein Erfolg.
»Der Mann dort draußen ist also ihr zukünftiger Schwager?«, fragte Rietmann. Er meinte Marc.
»Sie haben uns beim Japaner gesehen, oder?«
Er nickte. »Marc Jacobeit, der Dirigent. Er kam mir gleich so bekannt vor, als ich ihn vorhin im Hotel sah.«
Ich sah ihn verwundert an. »Im Hotel? Äh, ja, er wohnt im Vier Jahreszeiten …«
»Nein, in dem Designhotel hier um die Ecke. Das meinem Schwager gehört. Marc Jacobeit hat dort mit kleinem Orchester gespielt. Es gibt ein paar Tagungsräume, die man alle zu einem großen Veranstaltungsraum verbinden kann. Ganz ausgetüftelte Akustik, ich war beeindruckt. Mein Schwanger plant dort auch Bälle und …«
»Marc hat für von Lahnstein gespielt? Heute Nachmittag?«
Fabian Rietmann sah mich nervös an. »Ich dachte, Sie wüssten …«
»Marc Jacobeit war das Gegenprogramm?«
»Gegenprogramm? Sie waren ja wohl eher das Gegenprogramm«, lachte er. »Erst
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