Für immer untot
nahm sich einen Moment, um darüber nachzudenken. Ich war sicher, dass er es nicht dabei bewenden lassen würde, dass er sich nicht mit meinem Wort begnügte. Doch dann streckte er den Arm aus. »Darf ich annehmen, dass wir zum ersten Mal ausgehen?«
»Oh, das Stadium haben wir längst hinter uns«, entgegnete ich ohne nachzudenken.
Mircea lächelte. »Gut zu wissen.«
Zwanzig
Der Typ, der die Tür öffnete, war Anfang vierzig, hatte dünner werdendes Haar unter einer schief auf dem Kopf sitzenden Perücke und reichlich Zahnlücken. Er sah nicht aus wie jemand, der in der Lage sein sollte, einen legendären Zauberer zu verteidigen, aber vielleicht war er nur der Diener. Wir folgten ihm durch einen schmalen Flur und die Treppe hoch in eine Bibliothek. Dort gab es einen prächtigen Kamin aus Marmor, Bücherregale an den Wänden, Perlmuttverzierungen auf dunklem Holz und etwa drei Dutzend Gäste.
Alle Blicke gingen in unsere Richtung, als uns der Diener oder wer auch immer vorstellte. Mircea hatte seinen Namen nicht genannt, aber der Mann kannte ihn, und ich war nur »und Begleiterin«. Über unser Erscheinungsbild hätte ich mir keine Sorgen machen müssen: Mircea schaffte es, die fehlende Jacke wie eine neue Mode erscheinen zu lassen. Ich beobachtete, wie mehrere männliche Gäste heimlich ihre Jacken ablegten, weil sie keinen neuen Trend verpassen wollten. Doch einer blieb unbeeindruckt, von Kopf bis Fuß in ein dickes schwarzes Cape gehüllt, das über den Boden strich und nicht einmal die Nase zeigte. Was mich nicht weiter störte, denn die Leute, deren Gesichter ich sehen konnte, waren beunruhigend genug.
Eine Frau erschien vor uns mit einem Korb, der gestrickte Rosetten in Blau, Weiß und Rot enthielt. Ich verzichtete darauf, ein Loch in Augustines Kleid zu stechen, und trug meine Rosette in der Hand. Das Material erschien mir irgendwie seltsam.
»Menschliches Haar, wahrscheinlich von Leuten, die mit der Guillotine hingerichtet wurden«, murmelte Mircea. Ich legte die Rosette rasch auf einen nahen Tisch.
Einen Moment später tänzelte eine hübsche, dunkelhaarige Französin mit einem Tablett herbei, auf dem Weingläser standen. Sie gab Mircea eins und blieb dann stehen und wartete, vielleicht darauf, dass er austrank und sie ihm noch ein Glas geben konnte. Die übrigen Gäste schienen Pech zu haben. Aber Mircea trank nicht, stellte ich fest. Er hielt das Glas nur am dünnen Stiel, und im matten Licht schimmerte der Wein blutrot.
Ich nahm ein Glas vom Tablett und kippte den größten Teil des Inhalts mit einem Schluck hinunter. Schmeckte nicht schlecht, und noch besser war die Wirkung – ich bekam wieder einen klaren Kopf. Mircea beobachtete mich lächelnd und wechselte unsere Gläser. Ich bekam sein volles.
»Magst du keinen Wein?«, fragte ich und nippte mit etwas mehr Anstand an meinem zweiten Drink.
»Ich trinke ihn nur zu bestimmten Anlässen.«
»Und die wären?«
»Erinnere mich daran, dass ich es dir einmal zeige«, sagte er leise, als sich uns eine atemberaubend schöne Frau näherte.
Sie war Japanerin, oder sah zumindest asiatisch aus. Origami-Kolibris umschwirrten sie und hielten die handbemalte Schleppe ihres Kleids. Und sie machte nur den Anfang. Zwar hatten wir eine dunkle Ecke neben dem Kamin gefunden und wollten dort auf das große Ereignis warten, aber immer wieder kamen Leute, um mit uns zu sprechen. Besser gesagt: um mit Mircea zu sprechen. Mich würdigte man kaum eines Blicks. Mir fiel auf, dass ein großer Teil der Gäste, die das Gespräch mit Mircea suchten, weiblichen Geschlechts war.
Ich weiß nicht, warum mich das überraschte. So war es bei Mirceas Besuchen auch an Tonys Hof zugegangen. Ich hatte gehört, wie das Personal darüber klagte, dass nie zuvor so viele Gäste gekommen waren. Selbst Vamps, die Tony verachteten, gaben sich plötzlich die Ehre. Denn Mircea war nicht nur Senatsmitglied, sondern ein Basarab, was ihm bei Vampiren einen Status gab, der sich mit dem eines Filmstars vergleichen ließ.
Oder mit dem eines Rockstars, dachte ich und musste mich zwingen, nicht die Hand beiseite zu stoßen, die ihm eine klassisch-schöne Hexe mit kastanienbraunem Haar auf den Arm gelegt hatte. Mircea wich unter dem Vorwand zurück, sein leeres Glas auf den Kaminsims zu stellen, und seine kleine Freundin bewegte sich mit ihm. Seine Lippen formten ein reumütiges Lächeln, nach dem es mich für einen Augenblick so sehr verlangte, dass ich nicht mehr klar denken konnte.
Ich
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