Für immer untot
kam eine Karte zum Vorschein, ohne mein Dazutun. »Der Magier. .«, begann eine volltönende Stimme in meinem Kopf. Ich schob die Karte zu den anderen zurück, steckte sie alle in die Tasche meiner Shorts und spürte, wie sich neue Unruhe in mir regte.
Meine alte Gouvernantin hatte die Karten verzaubern lassen, damit sie von der spirituellen Atmosphäre einer bestimmten Situation berichteten. Eigentlich war es als Scherz oder Spaß gedacht gewesen, aber im Lauf der Jahre stellte ich fest, dass die Vorhersagen deprimierend genau waren. Daraus ergab sich jetzt ein Problem, denn wie ich es auch drehte und wendete, der Magier war nie eine gute Sache.
Kennen Sie die Hütchenspieler auf Jahrmärkten und dergleichen? Mit Plüschtieren, die Staub ansetzen, weil sie nie den Besitzer wechseln? Der Magier ließ sich damit vergleichen: ein Händler oder Trickbetrüger, der einem fast alles weismachen konnte. Es war möglich, ihm auszuweichen, aber man musste auf der Hut sein, denn er würde nicht wie ein Betrüger aussehen.
Die Karte war sicher verstaut, doch ein Bild des kleinen Magiergesichts schien noch vor mir zu schweben. Und meine Phantasie gab ihm Pritkins hellgrüne Augen. Ich wusste nicht, wie weit er gehen würde, um dafür zu sorgen, dass der mysteriöse Zauber nicht in die seiner Ansicht nach falschen Hände geriet. Und wenn Mircea starb, starb mein wichtigster Grund dafür, den Codex zu finden, mit ihm. Vielleicht hielt Pritkin ein einzelnes Leben nicht für einen zu hohen Preis, um das Geheimnis zu wahren.
Vor allem, wenn es das Leben eines Vampirs war.
Vier
Einige Sekunden lang musterte mich Rafe schweigend, und dann räusperte er sich. »Vielleicht gibt es eine Alternative.«
Ich wartete, aber er saß einfach nur da. Seine Wangenmuskeln mahlten, doch er blieb still. »Ich höre«, drängte ich vorsichtig.
»Ich kann es dir nicht sagen«, brachte er schließlich hervor. Offenbar war das Schlupfloch in Mirceas Befehlen doch nicht so groß.
Ich sah zu Billy, der seufzte und mit den Schultern zuckte. Er mochte es nicht, von anderen Leuten Besitz zu ergreifen, aber es erlaubte ihm, gewissermaßen auf Zehenspitzen durch fremde Gedanken zu schleichen und Informationen zu sammeln. Und ich bezweifelte, ob Mircea Rafe verboten hatte, auch nur an das zu denken, was er für sich behalten sollte.
»Senk deine Schilde«, sagte ich. »Und halt an dem Gedanken fest.«
Rafe wirkte ein wenig nervös, aber da Billy einen Moment später in ihm verschwand, musste er meiner Aufforderung wohl nachgekommen sein. Ich sah mich um und fragte mich, was die Touristen davon gehalten hätten, dass in ihrer unmittelbaren Nähe ein Geist von einem Vampir Besitz ergriff. Die gut inszenierten Shows im Dante’s verblassten daneben ein wenig.
Kurze Zeit später kam Billy auf der anderen Seite wieder zum Vorschein, und zwar ziemlich erschrocken. »Teufel, nein!«
»Was hast du gesehen?«
»Nichts. Überhaupt nichts.«
»Du lügst.« Es war kaum zu glauben. Billy hatte viele Fehler, aber er log nicht.
Zumindest nicht mir gegenüber.
Er zog eine strenge Miene, und seine nussbraunen Augen blickten so unversöhnlich wie nie zuvor. »Wenn ich lüge, dann nur zu deinem Besten!«
Traditionsgemäß gab es vier Hauptgründe dafür, dass ein Geist Menschen erschien: um Vorwürfe zu erheben, zu warnen, zu erinnern und um Rat zu geben. Ich könnte noch einige weitere hinzufügen: um zu ärgern, zu behindern oder, wie in Billys Fall, den Leuten ganz gehörig auf die Nerven zu gehen.
»Überlass es mir, darüber zu urteilen!«, stieß ich zornig hervor.
»Ist dein Urteilsvermögen bisher so großartig gewesen?«
»Wie bitte?«
»Wenn du es mit Vampiren zu tun bekommst, wird jedes Mal eine üble Sache draus.« Billy hob drei durchsichtige Finger. »Tomas. ›0 Billy, er ist nur ein süßer Straßenjunge, der ein Zuhause brauchte Ein süßer Straßenjunge, der in Wirklichkeit ein getarnter Meistervampir war, der dich verriet und fast umbrachte!« Ein Finger kam nach unten. »Mircea. ›0 Billy, ich kenne ihn seit einer Ewigkeit, wegen ihm brauchen wir uns keine Sorgen zu machen.‹ Bis er den verdammten Geis auf dich legte und dir diese verdammte Pythia-Sache aufhalste.« Der zweite Finger senkte sich, und übrig blieb der aufrechte Mittelfinger. »Verstehst du, warum ich ein wenig besorgt bin?«
»Ich habe zwangsläufig mit Vampiren zu tun!«, erinnerte ich Billy.
»Es würde dir nicht gefallen.«
»Es gefällt mir schon jetzt nicht.
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